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Samstag, 19. April 2008

Da verkühlte sich selbst der Winterkönig

Da hat er's dann wohl übertrieben, der "Winterkönig" Friedrich V. von der Pfalz, dieser ehrgeizige Schönling. Den sein Ehrgeiz sogar dazu getriebenhatte, dem Kaiser Opposition zu bieten, und sich mit seiner attraktiven Engländerin als Frau, von den nun protestantischen Böhmen dem Habsburger die Königskrone von Böhmen vor der Nase wegschnappte. Und das wollte was heißen, denn Böhmen war damals einer der reichsten Landstriche Europas. Und Geld hieß Macht weil bezahlte Heere.

Und seine Frau war mit ihm eines Sinnes. Sie befahl, man solle doch den "unsittlichen, nackten Badenden" von der Brücke reißen. Aber damit ging der Reformeifer den Pragern allmählich zu weit. Nun gar den Gekreuzigten so zu entheiligen, dagegen verwahrten sie sich, und den ließen sie sich unter der Androhung bewaffneten Widerstands nicht von der Karlsbrücke reißen.

Schon zuvor aber hatte da Murren begonnen. Als Mägde aus dem Veitsdom und aus der Jesuitenkirche Reliquien eingesammelt hatten, um sie als Brennmaterial zu verwenden. Selbst das Grab des Hl. Wenzel war diesen nicht heilig gewesen und aufgebrochen worden. Endgültig zu weit ging es den Bürgern, als der Bilderstürmerei der Glaubensreformer sämtliche Bildnisse aus den Kirchen zum Opfer fallen sollten. Hus-Tradition hin, Hus-Tradition her, einmal war Schluß.

Dabei trieben's die neuen Herrschaften auch sonst recht seltsam und sogar in unseren Augen "modern", was meist einfach schamlos heißt. So badete der fesche Ludwig gerne nackt in der Moldau. Vor seiner offenbar sinnesfreudigen Holden, und auch vor deren gesamtem weiblichen Hofstaat, gaffende Prager im Hintergrund inklusive. Und diese Offenheit zog sich quer durch alles. Selbst der Hradschin, die Königsresidenz, wurde unbeschränkt öffentlich zugängig gemacht. Wem immer es einfiel,  konnte nun dort ein- und ausgehen, und er wurde sogar bewirtet, wenn es ihn vom Aufstieg auf den Burgberg hungerte und dürstete. 

Und den königlichen Sproß durfte man auch noch knuddeln, wenn es einem danach verlangte. Also das gab's ja wirklich noch nie. Welch Sorglosigkeit, im übrigen, irgend jemanden verleitet haben mochte, heimlich dem Knäblein die wollenen Patscherl auszuziehen, weil er sie offenbar selber gut gebrauchen konnte.

Richtig verscherzt hat Friedrich es sich erst durch andere Neuerungen. Nein, gar nicht so sehr, weil er es nicht schaffte, ein Heer aufzustellen. Das würde Gott schon noch richten. So richtig Unmut hat er erregt, als er die Ratssitzungen um sieben Uhr früh ansetzte. Das war zuviel. Gegen eine derartige Privilegienverletzung protestierten die Prager Edelleute und auf das Allerheftigste. Sie hätten, bitte schön, das hochwohlgeborene und seit ewigen Zeiten angestammte Recht, länger zu schlafen, und das hat auch ein König zu respektieren.

Auch in jemen Herbst, in dem schließlich die katholische Liga mit 25.000 Bayern und noch einmal so vielen Spaniern aus Brabant gen Prag anrückte. Und zwar keineswegs heimlich, sondern mit allem Brimborium und gewaltigstem Tamtam, samt der feurigen, halt typisch jesuitischen Anfeuerungspredigern, die die Moral des je an den Straßenrändern stehenden Volkes stärkten. Was alles zwar niemanden wirklich wunderte, weil es allen für diesen Heerzug perfekt passend schien. Dessen Herr, der Feldherr Tilly, war ohnehin als "der geharnischte Mönch" bekannt. Aber diesmal war es so beeindruckend - man muß sich vorstellen, daß jeder Soldat je nachdem ein, zwei, ja Offizere 10 oder mehr Frauen, Kinder, Diener, Bäcker, Knappen und so weiter bei sich hatte, sodaß es also ein gewaltiger Zug gewesen sein muß, wie er hier wie ja in allen Kriegen dieser Zeit unterwegs war - daß sich im Volk die Meinung bildete, es handele sich um einen kirchlichen Kreuzzug. Und ein bißchen Wahres war da dran.

Die Rücksichtslosigkeit den Edelen gegenüber haben aber die Prager ihrem Winterkönig und seiner englischen Königstochter, die sich beharrlich geweigert hatte, Deutsch zu lernen, weil es ihr zu vulgär (und zu anstrengend) war, nicht vergessen. Sie waren offenbar nachtragend, und haben es dem König samt Zinsen zurückgezahlt, als - und das war unschwer vorherzusehen gewesen - am 8. November 1620 die Schlacht am Weißen Berg verloren ging. Die furchtbar geschlagenen Truppen strömten nun zurück zur Stadt, um sich hinter deren Mauern zu verteidigen. Doch zu ihrem Entsetzen hielten die Prager die Stadttore verschlossen. 

Mehr noch. Die Böhmen, die sich mit einem mal ihrer doch immer schon gehabten Treue zum Kaiser erinnerten, waren jetzt sogar entschlossen, Friedrich und seine Prinzessin an den Bayernherzog Maximilian (dem Friedrichs Heimat, die Pfalz, als Treuelohn versprochen worden war, und seither gehört die auch zu Bayern) auszuliefern, und strömten zur königlichen Burg. 

Im letzten Augenblick gelang den Hoheiten aber noch die Flucht, mit nicht viel mehr bei sich als die Kleider am Leib. Wobei die enttäuschten Turteltäubchen in der gebotenen Eile zwar die Kronjuwelen einpackten (also was halt in die Kleidertaschen paßte), aber das Baby (ohne Patscherl) in seiner Wiege liegen ließen - weil schlicht vergaßen. Aber einer der wenigen mit Friedrich fliehenden Räte nicht, und der schaffte es dann Gott sei Dank, das königliche Kindlein gerade noch rechtzeitig nachzubringen.



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Glattgestrichen *120322*