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Montag, 14. April 2008

Theater wohin ...

Man darf sich fragen, wie es in zwanzig Jahren mit der Inszenierung der "Klassiker" aussehen wird. Wenn das geistige Gut der damaligen Autoren, deren Wissen vom Menschen und vom Leben, von den Regisseuren und Schauspielern endgültig und von niemandem mehr verstanden werden wird ... Das ist nämlich absehbar.

Bereits jetzt nämlich häufen sich die beobachtbaren Fälle, und sie häufen sich dort, wo das Theater besonders lautstark von sich behauptet, lebenskräftig und aktuell zu sein - bei Stücken älterer Autoren: Wo Liebeskonflikte zu feministischen Problemen, Tugendtragödien zu marxistischen Klassenkontroversen, der Tod und schlimmstenfalls überhaupt alle menschlichen Konflikte zu sinnlosen Verrücktheiten aus dunklen Zeiten der Ungebildetheiten werden.

Aber das Attribut "älterer" vor dem Substantiv "Autoren" ist nur unbeholfenes Synonym. Eigentlich geht es längst um die Autorschaft an sich. Einer der aktuellsten und kräftigsten Trends, der sich aus dem Regietheater heraus entwickelt hat, ist der, daß überhaupt keine Stückvorlage mehr herangezogen wird, sondern ein "Stück" während der (gar nicht mehr so bezeichneten) Probenzeit "entwickelt" wird.

Oder, als nächstem Schritt, ein "Stück" aktualistisch entsteht, gar keine schriftliche Fassung mehr existiert, weil das Theater gar von Vorstellung zu Vorstellung entsteht ...

Längst ist zu beobachten, daß der Umstand, daß ein Autor ein Stück schreibt, selbst Erweis einer überholten Vorstellung von Theater ist und damit disqualifiziert. Längst ist der Anspruch eines Schriftstellers, ein Stück vorzulegen, dem die Realisierung als Telos zu folgen hat, weil ein solcher enthalten ist, als rückständige, nicht zeitgemäße Theaterepisode disqualifiziert. Der Stand der Theorie ist die These einer völligen Theorielosigkeit.

Warum das so ist? Weil die Entwicklung der geistigen Strömungen der letzten Jahrzehnte - besoffen von der pubertären Illusion, avantgardistisch zu sein - übersehen hat, daß sie rettungslos vorgestrig ist! Weil sie übersehen hat, daß ihre Gedanken längst gedacht, ihre Vorlieben, Leidenschaften und Abneigungen längst einmal gehabt ... ihre Charakterschwächen längst bekannt, ihre Lügen längst einmal gelogen waren.

Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, daß sie durchschaut sind, wollen nicht glauben, daß sie widerlegt sind, noch mehr: Opfer von politisch-ideologischer Manipulation sind. Sie wollen deshalb (auftragsgemäß) alle glauben machen, daß eine Analyse ihrer Situation nicht möglich ist. Um das zu erreichen, muß als letztem Schritt der Tod jedes Denkens programmatisch werden. Um zu vertuschen, daß es rettungslos rückständig ist, muß das Rückständige sich als Fortschritt deklarieren, und dazu auch die Bedingungen des Diskurses fest und diktatorisch in Händen halten.

Also muß jeder Bezug zu einer festen Folie, der Überprüfung von Absicht und Ziel möglich machte, zerstört werden.

Damit ist der Tod des Theaters als kultureller Institution programmiert. Denn das Theater lebt vom Geist.




*140408*