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Samstag, 10. Mai 2008

Was ist ... Laie - Amateur - Profi

Die Frage, ob ein Mensch, zumal ein künstlerisch Tätiger, Laie, Amateur oder Profi ist, mag für den Außenstehenden akademischer Natur sein, ist es für den in der "Kunstbranche" Tätigen jedoch keineswegs. Ihre Beantwortung hat einerseits Folgen auf die jeweilige Selbstfindung, auf das Selbstbewußtsein, mit dem jemand sich an seine Berufung hingibt (Künstler sind aus Natur für Begegnendes sehr empfänglich, und dies vor dem Hintergrund, daß der Satz "Das Amt macht den Minister" viel tiefere Bedeutung hat als heute, im Zeitalter der mechanistisch-teleonomischen Verzerrung, irrtümlich angenommen wird), anderseits konkrete Auswirkungen in Hinblick auf Broterwerb.

Wer gerade den Künstler kennt, um seine Archetyplosigkeit weiß, weiß auch wie wichtig ihm Fragen der Identität sind. Ein Bereich, in dem ihm tiefe Verletzungen leicht zugefügt werden können.

Aber es ist auch wichtig für die Einschätzung künstlerischer Leistung, was die Erwartung betrifft, die in sie gesetzt werden kann oder soll. Aus diesem Grund soll hier eine Begriffsbestimmung stattfinden, unabhängig davon, um welchen Kunstbereich es sich handelt.


Was also ist ein Laie?

Einer, der einem Berufs- und Tätigkeitsfeld außerhalb steht, es als Gegenüberstehender, Kunde, Konsument betrachtet, das an ihm eine Aufgabe erfüllt. Im Gegensatz zum

Amateur

übt der Laie nicht diese Tätigkeit auch aus. Der Amateur übt diese Tätigkeit siehe oben aus, ohne je den Anspruch zu erheben, sie zur selben Meisterschaft wie ein Könner zu erheben. Der Amateur also behauptet, kein Talent zu haben, noch mehr aber: daß diese Frage unwesentlich ist, denn die Ausübung der Tätigkeit macht ihm schlichtweg Freude, er "liebt" sie: "amare" ... Dessen ungeachtet kann der Amateur vom Niveau seines Könnens her betrachtet sehr weit stehen, zumal die Unverkrampftheit seiner Selbsteinschätzung viele Fesseln löst, die solches Können oft in der Entfaltung behindern.

Der Professionalist (Profi) wiederum übt eine Tätigkeit aus, indem er sich ihr ganz zuwendet. Das heißt mit allen Konsequenzen von ihr abhängt. Erst, wenn jemand seine Existenz und Identität auf eine bestimmte Tätigkeit ausrichtet, kann man von Profi sprechen.

Das heißt wiederum nicht, daß er durch sie ausschließlich oder überhaupt sein Brot verdienen muß! Deshalb gibt es tatsächlich oft "bessere" Amateure" als Profis - weil diese Amateure dann gar keine Amateure, sondern in Wahrheit Profis sind, die nur nicht von ihrer Tätigkeit leben können. Ja zum Gegenteil, hat der Amateur oft mehr Talent, aber nicht bestimmte charakterliche Eigenschaften, während es wahre Profis gibt, die kein oder nur wenig Talent haben, aber bestimmte Seiten eines Berufs schätzen.

Ich denke hier vor allem an Schauspieler, unter denen ein nicht geringer Prozentsatz sich befindet, der eher durch Eitelkeit, Geltungssucht und Selbstüberschätzung glänzt als durch künstlerisches Talent, welche Bedürfnisse das Rampenlicht aufs Vorzüglichste fördert und befriedigt. Niemand wird umgekehrt einem Anton Wildgans oder Franz Grillparzer absprechen, professionell Gedichte gemacht zu haben - auch wenn er noch lange Zeit von seiner Juristentätigkeit zu leben hatte, oder gar (ihm zuwider) von seiner Frau.

Und der Schriftsteller (er hat von allen diesen Personengruppen künstlerischer Neigung wahrscheinlich die schwierigste Einkommenslage) ist ja lange nicht alleine mit solcher Lage: Schauspieler, die Kellner statt Hamlet und Desdemona spielen, Literaten, die für Zeitungen schreiben und dabei eher Microsoft kennenlernen als Paradiesesgärten, Sänger, die bei Beerdigungen Grabreden halten, Geigenvirtuosen, die Kindern Unterricht geben, usw. usf.

Die Grenzen sind jedenfalls fließend. In keinem Fall sagen sie etwas aus über das wirkliche Niveau, über die Kunstfertigkeit des Ausübenden. Dies trifft ebenfalls nicht zu, was eine allfällige vorzuweisende "Ausbildung" anbelangt. Deren Wert gerade im künstlerischen Bereich meist völlig (wenn schon nicht: über-, so doch meist) fehlgeschätzt wird. Die wesentliche Ausbildung eines Künstlers ist nie erlernbar. Sie hat mit seiner Persönlichkeit zu tun, und das ist eine Aufgabe, die das Leben in welcher Form auch immer (und: sie muß geradezu individuell sein, hat soviele Gesichter wie es Künstler gibt) sie gestellt wird.

Natürlich ist die "Wahrscheinlichkeit", daß jemand, der eine künstlerische Tätigkeit ausübt, und der sie noch dazu gut ausübt, auch künstlerische Berufung wie Begabung hat, groß. Das gleiche betrifft das, was man als Kunstfertigkeit bezeichnen könnte. Aber sie alleine ist nicht das Kriterium! Gerade der Nicht-Künstler ist zuzeiten mit geschickter Imitation, mit ausgebuffter Bedienung von Konventionen in hohem Ansehen "als Künstler" - dabei "tut er nur so wie der tut, der Künstler IST". Schon gar trifft dies zu, wenn man noch berücksichtigt, daß der Künstler aus seiner Zeit heraustritt - ihr im Zurücksein voraus ist ... also oft gerade in seinem Besonderssein, DEM Kriterium des Künstlers, den es nur in Alleinstellung gibt, verkannt wird. Hier wäre noch ein ganzes Spektrum an Wirkweisen und Gestalten anzuführen, wie künstlerische Begabung und künstlerische Tätigkeit, aber auch das Fehlen des Künstlertums IN AUSÜBUNG künstlerischer Tätigkeit verquickt sein können. Was bis zur Ununterscheidbarkeit (für den Laien auf jeden Fall) geht. Fast.

Es ist aber gerade heute ein weitverbreiteter und fast möchte man sagen: verhängnisvoller Fehler, Künstlertum mit Ausbildungsdiplomen zu verquicken - was ja erst eine junge Entwicklung ist, deren Bedeutung von Gewerkschaften nicht unbeträchtlich gefördert wurde und wird, weil solche Klassifizierung Grundbedingung ihrer Existenz (und vor allem der ihrer Funktionäre) darstellt. Weil es den "Ausgebildeten" ist er Künstler in eine dem Künstlertum gefährliche Lage der Identitätsarchetype bringt, und ist er keiner, dessen Hochmut gefährdet, im Insgesamt aber die rein existentiellen Aspekte einer künstlerischen Tätigkeit beeinträchtigt.

Als Hinweis: Es gibt alleine in Wien mittlerweile TAUSENDE - und Hunderte weitere kommen jedes Jahr dazu - arbeitslose "Schauspieler", die sämtlich Diplome vorweisen können, ohne daß man von auffallenden Leistungswettbewerben auf den Bühnen sprechen könnte ... natürlich verknappen sie die Existenzmöglichkeiten für jene, die wirkliche Künstler sind bzw. im Grunde: für alle, weil der Arbeitsmarkt für alle zu klein wird.

Die Fertigkeit selbst wiederum, die an einer Schule vermittelbar ist, beschränkt sich auf zwei Bereiche: Das Feedback, wenn die Lehrer gut sind (was aus vorgenannten Gründen - Lehrtätigkeit als Brotjob bei mangelnder künstlerischer Tätigkeitsmöglichkeit - gleichfalls immer fraglicher wird) sowie gewisse technische Fähigkeiten, soweit solche benötigt werden. Beim Geigenspieler also die Forderung bestimmter Fingerfertigkeiten, beim Schauspieler bestimmte Kulturtechniken, die für das Spielen bestimmter Stücke bestimmter Epochen von Bedeutung sind (nur so ist das "Fechten" z. B. als Ausbildungsgegenstand zu rechtfertigen).

Die Rückmeldung ist wertvoll, denn die 'Entwicklung jedes Künstlers geschieht in Stufen, auf deren Absatz immer Ausübung, Tätigkeit in diesem Bereich steht, um dann wieder in Setzung, Sammlung für das Gewahrwerden des nächsten Schrittes, überzugehen. Das bedeutet aber auch, daß sie ersetzbar ist.

Schon gar aber gilt Gleiches für das Erlernen von Kulturtechniken bzw. Techniken. Es ist schauspielerisches Handwerk zu wissen, wie man Spaghetti in Italien ißt, oder wie man die Hummerschere - oder die Bierflasche am Bau handhabt oder wohin der Schneider die Nadel steckt, wenn er zwischendurch Maß nimmt. Dafür braucht es keine Schule. Nur in gewissem Rahmen, meist aber mit gewisser Berechtigung, betrifft dies auch eine Sprechausbildung, wenn es um Hilfestellung geht, bestimmte Idiome durch Rückmeldung aus dem Sprachgehabe auszuschleifen, oder durch bestimmte Kniffe zu lernen, der Sprache mit wenigen Tricks mehr oder rascher Schliff zu verleihen. Denn ein Ziel des guten Sprechens ist ja, der Sprache mehr Flüssigkeit, ja Leichtigkeit zu geben. Darum kann es viel helfen, die Endung -ig (um ein Beispiel zu nennen) auf "ich" gesprochen "gelehrt" zu bekommen. Das Wesentliche aber, auch am Sprechen - die Persönlichkeit, die sich durch die Sprache ausdrückt - ist aber auch hier nicht zu lernen.

Was heute Mode ist, ist glattweg und ausschließlich abzulehnen: mangels wirklicher Daseinsberechtigung nämlich wird Ausbildung auf Bereiche erstreckt, die nicht anders als Dummenfang bezeichnet werden können. Wer wirklich glaubt, Persönlichkeit sei schulisch-methodisch auszubauen, wird nur jenen Persönlichkeitszuwachs erlangen, der ihm aus dem Begreifen erwächst, daß ihm viel unnötige Zeit und noch mehr Geld aus der Tasche gezogen wurde.

Dies betrifft ausnahmslos auch alle sogenannten "Schauspielschulen", ob sie nach "Stanislawski", "Grotowski", "Strasberg", "method acting" oder (wie meist) einer Mixtur aus Erwähntem und noch viel mehr arbeiten.

Zusammenfassung

Die Unterscheidung in Laie - Amateur - Profi ist oft nur sehr schwer möglich, und die Grenzen sind in vielen Kriterien fließend. In jedem Fall ist der Entwicklung entgegenzuschreiten, die diese Klassifizierungen - der menschlich-kulturellen Natur folgend den anderen zu einem Stand zu zählen, zu dem die Stellung institutionalisiert ist - von Zuerkennungsmechanismen abhängig macht, die den eine Kunst Ausübenden "standardisiert" anerkennen oder ablehnen. Und weil Kunst mit Staunen, Staunen aber unbedingt mit Autorität zusammenhängt, hat dies gerade für einen Künstler oft dramatische Auswirkungen.

In jedem Fall kann gesagt werden, daß sich beim Künstler selbst, beim Profi also, denn Künstler gibt es nur als solchen, die Frage dadurch beantwortet, als mit den Jahren ihm zumindest das "Dazugehören" selbstverständlich wird. Dies mag als Trost gelten. Während der Laie - und nur er ist der eigentliche Widerpart zum Profi, insofern wird auch in der Bezeichnung "Amateur" oft genug falsch gewertet - eine Darbietung, vor allem aber sich - und hier verrät er sich unzweifelhaft - als Außenstehender betrachten wird. Als ihm fremden Bereich, den er dennoch irgendwie berühren darf, der ansonsten aber völlig außerhalb seiner Identität steht. Er wird deshalb auch jede künstlerische Leistung nach Kriterien bewerten, die dem Publikum anstehen, und "dabeizusein" wird ihm wichtiger sein als die innere Qualität des Tuns.

Weshalb jedem Künstler - dies noch als Abschluß - dringend anzuraten ist, seine Familie, den Ort, wo er das Haupt hinlegt, unter Künstlern zu suchen, und seien es Amateure, aber sicher nicht unter Laien, oder (noch gefährlicher, weil heimtückischer) unter Ausübenden, die Laien sind und es deshalb noch leichter schaffen, ein der wirklichen Kunstwelt nahezu deckungsgleiches Surrogat der Identität aufzurichten.





*100508*