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Dienstag, 21. Oktober 2008

Über allem - der Tod

Montaigne empfiehlt, Delinquenten vor ihrer Hinrichtung statt an die Stätten ihrer Verbrechen durch die Häuser der Reichen zu führen, Ihnen so die Lockungen dieser Welt, deretwegen sie - mit dem Ziele, sie sich unrechtmäßig anzueignen - ihre Untat begangen hatten, noch einmal vor Augen zu führen. Den Effekt also, den auch die sogenannte Henkersmahlzeit, die "letzte Zigarette", der "letzte Wunsch" im Grunde erzielen, zu erhöhen.

Denn die endgültige Perspektive, der Tod, die zugleich die Perspektive aller Menschen ist, wird dem Delinquenten (und: in gewisser Weise sind wir alle solche) die Relativität und Unbedeutendheit weltlicher Genüsse zeigen. Ihm damit vielleicht mehr Reue erwecken, als alle übrigen Maßnahmen vermöchten: weil er somit leicht erkennt, daß er für "nichts" allen möglichen wirklichen Lebensgenuß (der eine Frage der Tugend ist) aufgegeben hat.

"Das Ziel unserer Laufbahn ist der Tod," schreibt Montaigne. Dieser Gedanke erschreckt uns jeden Augenblick. Der Ausweg der gemeinen Menge ist, den Tod zu verdrängen. Damit geht der Mensch in seine eigene Falle.




*211008*