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Sonntag, 29. März 2009

Die Vorfahren für dumm halten

"Wenn Kirche, Staat und Gesellschaft miteinander Eheformen sanktionieren, die nicht mehr auf dem Gedanken eines gemeinsamen Opferns, sondern auf dem eines gemeinsamen Genusses oder Verzehrs aufgebaut werden, und wenn dies nicht das Privileg einer ohnehin nicht mehr besonders geachteten Adelskaste ist (...), dann nehmen die Kinder der alten Familie mit der Zeit an, daß ihre Eltern einfach dumm sind (...).

Der Konsumgedanke wird nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Familie bestimmend. Die Ehe selbst wird - zumindest in der Vorstellung von Halbwüchsigen - etwas, das man konsumiert. Die Gesellschaft leistet diesem Denken Vorschub, indem sie alles Ehe nennt, was sich unter bestimmten äußeren Formen zusammenfindet - ganz gleich, ob es sich um Partnerschaft, Schlafgemeinschaft, Konsum- und Einkommens-Pool oder das alte, auf Lebensdauer berechnete »Ehebündnis zweier Menschen verschiedenen Geschlechts« bezieht, bei dem Besitz und Kinderzahl gemeinsames Ziel von zwei Eltern bilden, die aber gegeneinander scharf begrenzte Funktionen ausüben.
"

Das schreibt der Arbeiterdichter Richard Kaufmann Anfang 1960er Jahre. (Titelverlinkung: prägnante Aussagen aus diesem Buch) Er nimmt in "Gebrannte Kinder" zur Nachkriegsgeneration Stellung, und analysiert (in der Absicht, die jungen Menschen zu verteidigen) so treffend, daß man heute die Zutreffendheit seiner Prognosen überprüfen kann - und staunt, wie absehbar so vieles war.




*290309*