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Freitag, 22. Mai 2009

Gesunde Existenz und künstlerischer Anspruch


Einige Aussagen von Christoph Waltz, einem Wiener Schauspieler, der seit vielen Jahren in London lebt und vor allem in deutschsprachigen Fernseh- und Kinoproduktionen auftrat, zuletzt in Quentin Tarantino's "Inglorious Bastards", aus verschiedenen Medien-Interviews:

[Wie war die Begegnung mit Liselotte Pulver bei der „Zürcher Verlobung“?]
Das war ein Wiedersehen, weil ich das Vergnügen hatte, ihr schon einmal begegnet zu sein. Ich fand es schön, dass mit ihrem Auftritt der Geist der alten Filmwelt hereinschwebt, die wirklich eine bessere war. Lilo Pulver kommt aus einer Zeit, in der den Dreharbeiten mehr Zuwendung entgegengebracht wurde als heute. Diese Art und Weise des Herangehens an Filme ist einfach vorbei. Heute geht es in erster Linie um die Verwertbarkeit.

[Aber es ist doch Ihr Traumberuf?]
Albtraumberuf (lacht). Es könnte wirklich der schönste Beruf sein, den man sich träumen lassen kann. Aber tatsächlich unterscheidet er sich nicht von anderen Berufen. Ein Architekt muss sich auch seine ganze Laufbahn lang mit Bauherren und der Finanzierung seiner Fantasie herumschlagen. [...]

Die Teams sind [in Wien; Anm.] besser, die Mitarbeiter höflicher, aufmerksamer. Etwas verallgemeinernd: Der Umgang hier - und zwar in alle Richtungen - ist ein respektvollerer. Und auf so etwas lege ich Wert.

[Sie vermissen Respekt und Höflichkeit in Deutschland?]
In der Tat. Der Umgang ist mir in Deutschland oft zu direkt. Das Niveau ist sowieso nicht so besonders - das ist natürlich eine Verallgemeinerung, natürlich gibt es viele Ausnahmen. [...] In Berlin ist das Gottlob alles noch nicht so extrem. Aber ich spüre dort auch den Ansatz: 'Glaub ja nicht, du könntest hier gewisse Privilegien in Anspruch nehmen!' Es geht [...] um die Anerkennung einer bestimmten Funktion in der Gemeinschaft. Daran fehlt es in Deutschland, meiner Meinung nach. [...]

Es wird eindeutig zu viel gequasselt und zu wenig gesehen. Bis tief in die Kunstszene hinein drängt sich das Gequassel inzwischen in den Vordergrund. Wir Künstler sind, so nannte es Jim Rakete einmal, nur der Rohstofflieferant. Aber ich weigere mich, nur der Rohstofflieferant zu sein für Presse, Making-ofs und all das. Wenn Sie jetzt bedenken, daß es immer schlimmer wird, dann ahnen Sie, was für ein Problem ich habe.[...]

Es wird in der Branche immer noch mit den Marketingmaximen der 80er- oder 90er-Jahre gearbeitet: Der Inhalt spielt absolut keine Rolle, es ist die Verpackung, die zählt, nur die! Es ist für einen ernsthaften Schauspieler, aber sicher auch für wirkliche Künstler aus ganz anderen Disziplinen, ein komplizierter Vorgang, wenn von einem verlangt wird, sich so zum Objekt zu machen.

[Wie genau meinen Sie das?]
Dass von einem im Interesse einer gesunden Existenz verlangt wird, die Arbeit von der Person zu trennen. Wenn ich das tue, wo bleibt dann der künstlerische Aspekt? Der geht völlig verloren.




*220509*