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Mittwoch, 27. Mai 2009

Sauber von der Ehe gesprochen

"Von einer Ehe kann man im Sinne einer bloßen Kombination einer sexuellen mit einer Aufzuchtsgemeinschaft von Vater, Mutter, Kindern begrifflich überhaupt nicht reden. Denn der Begriff der EHE selbst ist nur durch Bezugnahme auf noch andere als jene Gemeinschaften zu definieren. Ehe entsteht als gesellschaftliche Institution überhaupt erst durch den Gegensatz zu anderen, NICHT als Ehe angesehenen geschlechtlichen Beziehungen."

So einfach formuliert Max Weber den Umstand, daß Bestand wie Auflösung der Ehe nicht simpel auf individuellem Wollen oder gar moralisch-ethischem Gutsein beruht, sondern daß ihre Natur wesenhaft mit der sie berührenden Gesellschaft zusammenhängt. Hört die Gesellschaft auf, die Integrität der Ehe zu achten, nimmt sie die Ehe durch Scheidungsgesetze nicht mehr ernst, oder nivelliert sie sie durch "Ausweitung" des Begriffs aus ihrem Wesen nach andere Lebensformen, löst eine Gesellschaft in ihrer Konkretion - Staat - die Ehe schlichtweg auf.

Die Ehe aber ist entscheidendes - ja Weber ist drastisch: Einziges - Kriterium der Zugehörigkeit zu einer Wirtschaftsgemeinschaft, weil nur so der Konsens des Einzelwillens mit dem umfassenden (religiösen, wirtschaftlichen, politischen) Gemeinschafts- und Solidaritätswillen hergestellt ist, die Nachkommen als Teil jeweiliger Genossenschaft angenommen sind. (Anm.: Max Weber, dessen unfaßliche Vorurteilslosigkeit und strenge Wissenschaftlichkeit berühmt ist, und beim Lesen enorm beeindruckt, sieht also zumindest auszuräumendes, einen Konsens nämlich posthoc forderndes Konfliktpotential zwischen Gemeinschaft und Individuum auch dort, wo Nachkommenschaft in Unehelichkeit entsteht.)

Auch wenn die relevanten Passagen in Weber's "Wirtschaft und Gesellschaft" nur wenige Seiten umfassen, und in der für Weber so typischen Art trocken und extrem sachlich, aber ungemein präzise und umfassend durchdacht unbedingt lesenswert sind, würde es zu weit führen, sie hierher zu übertragen. Auch wenn klar ist, daß Weber die Soziologie nicht als normierend, sondern nur deskriptiv sieht. Umso beeindruckender und relevanter aber seine Beschreibungen.

In der Ehe und Familie selbst prägen sich für die Nachkommen die jede weitere gesellschaftliche Organisationsform tragenden, ja konstituierenden Wertebezüge und Verhaltensweisen. Sie trägt nicht nur die urwüchsigste Form des gemeinschaftlichen wie gemeinschaftsbezogenen Handelns des Einzelnen, sondern ist die Grundlage der Pietät und Autorität, somit zahlreicher weiterer Gemeinschaften außerhalb ihrer: Der Autorität des Stärkeren, Erfahreneren, der Wehrhaften und Arbeitsfähigen gegenüber den Unfähigen, der Erwachsenen gegen die Kinder, der Alten gegenüber den Jungen. Der Pietät der Autoritätsunterworfenen gegen die Autoritätsträger wie untereinander; sie geht als Ahnenpietät sohin in die religiösen Beziehungen ein, wie insgesamt auf die gesellschaftlich-kulturellen Bezüge. Damit ist sie ihr maßgebliches Identitäts- und Stabilitätselement.

Einige von Weber's Gedanken zum Thema "Hausgemeinschaft": Die Entwicklung ihrer Integrität bietet für Weber den für den Einzelnen maßgeblichen kulturellen Fortschritt des Schutzes vor der Gemeinschaft. Deshalb ist sie auch vor allem ab der Seßhaftigkeitsstufe der Völker markant feststellbar. Gleichzeitig bestimmte Formen von Solidarität, die insbesonders durch den (von Weber so genannten) Hauskommunismus" auf der Grundlage des Begreifens von Hausgemeinschaft als Wirtschaftsgemeinschaft. Ihre Verfaßtheit ist maßgeblich (und defacto unersetzbar, zumindest in dieser Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit und Stabilität, denn sie weist nicht die durch Komplexität und Bedingtheiten gegebene Anfälligkeit aller übrigen Wirtschaftsgemeinschaften) für die Versorgung ihrer Mitglieder mit den Gütern des Alltags.

"Der hauskommunistische Grundsatz, daß nicht "abgerechnet" wird, sondern daß der Einzelne nach seinen Kräften beiträgt und nach seinen Bedürfnissen genießt (soweit der Gütervorrat reiche), lebt noch heute als wesentlichste Eigentümlichkeit der Hausgemeinschaft unserer "Familie" fort, freilich meist nur als ein auf den Haushaltskonsum beschränkter Rest." Weber sieht ganz klar den vor allem wirtschaftlich-sozialen Vorteil, den der Einzelne zieht, umgibt ihn ein solches Umfeld aus näherer und weiterer Familie.




*270509*