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Montag, 22. Juni 2009

Vom rechten Führen

Was Hans Speidel über den "Führungsstils" Adolf Hitlers schreibt, zertrümmert jeden Mythos vom "Führungsgenie" Hitlers, sofern das durch Biographen wie Joachim C. Fest unter anderem nicht längst geschehen ist. Aber es sagt auch viel über Prinzipien des Führens allgemein:

"Hitler und Goebbels predigten unter geschickter Ausnützung massenpsychologischer Momente einen 'revolutionären Militarismus', dessen Definition aber selbst diesen Wortkünstlern schwer wurde. Das Ergebnis war, daß ein Teil der Offiziere, berauscht von der Möglichkeit napoleonischer Avancements [eine gute Umschreibung dessen, was viele Schauspieler bewegt, deren Kopf immer in den Wolken der Zukunft steckt], reine 'Funktionäre' wurden. [...] Hitler wußte nichts von Washingtons Mahnung: 'Nehmt nur Gentlemen zu Offizieren.'"

Speidel zieht in der fanatischen Engführung geistiger Ausrichtungsforderungen direkte und gut nachvollziehbare Parallelen zum System totaler Bespitzelung unter Robespierre (mit dessen Ausführungsorgan St. Just). Insbesonders das Führerprinzip zeigt Speidel (unter anderem General unter Rommel), das einerseits jede wirkliche Autorität zugunsten willentlichen Terrors zerstört, sich des "divide et impera" (unter Ignoranz persönlicher Würde) bediente, und (unter Fehlen jeglicher persönlicher Vornehmheit) krankhaft jede Entscheidung bis ins Detail vorschrieb, wodurch jede lebendige Persönlichkeit der Untergebenen ausgelöscht wurde, gleichzeitig Hörigkeit entstand.

Interessant ist dabei vor allem, daß Speidel als effektivste Elemente dazu die "immer neue Ermutigung ohne jede Grundlage" nennt. Und weist auf die Glaubwürdigkeit und suggestive Kraft von Figuren wie Karl XII., Wallenstein oder Napoleon hin, wo ähnliche Elemente seelischer Desintegration zu beobachten wären: Gerade diese erzeugten eine Überzeugungskraft [vorstellbar als partielle Identifikationsfähigkeit, unabhängig von großen Faktenzusammenhängen; Anm.], die dem Gesunden fehle.

"In der Kriegsführung ist das Phantastische ohne alle schöpferische Kraft," zitiert Speidel Clausewitz. "Der große Feldherr ist das gerade Gegenteil eines Fachmenschen, eines bloßen Technikers; er ist aber ebenso wenig ein reiner Willensathlet. Ihn zeichnet vielmehr ein harmonischer Verein der Kräfte aus, ein Gleichgewicht des Verstandes und des Willens, wie es nur in der wahrhaft großen Persönlichkeit sich findet." Der Befehl habe nach Clausewitz "die Richtung verständlich zu machen, in der das Gesamtziel beeinflußt werden solle, aber die Ausführung dem Einzelnen [in seinem Kompetenzbereich, also gekoppelt an Verantwortung] zu überlassen."




*220609*