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Mittwoch, 6. Januar 2010

Eine nüchterne Bestandsaufnahme

Das Interview war zwar vielfach bereits zu finden und zu sehen - dennoch soll es auch hier präsentiert und damit archiviert werden: Gloria.tv bringt ein Gespräch mit dem (zumindest bis vor ein paar Jahren) meistgelesenen deutschen Philosophen Robert Spaemann zu aktuellen Fragen.

Einige der Gesprächsaussagen:
  • Der (Nietzscheische) Ersatz Gottes durch den Übermenschen funktioniert nicht - Spaemann habe noch nie jemanden getroffen, der an einen Übermenschen glaubte. 
  • Der heutige Atheismus ist nicht autonomer oder selbstbestimmter, sondern "Gott" wurde durch "Faktendruck" ersetzt - eine (unpersönliche) Macht. Der Christ glaubt allerdings, daß diese Macht ihm wohlwill.
  • Die logischen Gesetze der Welt existieren unabhängig von unseren Erfahrungen, und sie existieren hinter den Erscheinungen, die Schatten sind. Zu dieser "wirklichen Wirklichkeit" aber muß man durchdringen.
  • Die Aufklärung zerstört sich selbst, wenn sie die Bezugspunkte der Wahrheit von Gott wegrückt. Ohne Gott wird Wahrheit völlig subjektiv, und damit relativ - unerkennbar. Die Folge, der Nihilismus, ist voraussehbar in der Spaßgesellschaft geendet. Aber: mit Nietzsche kann man sagen, daß dies ein Übergangsstadium ist, er hat es vorausgesehen. Und meinte, daß dem Nihilismus der Glaube an neue Mythen folgen würde.
  • Ohne Gott werden selbst soziale Spielregeln aufgelöst - soziale, innerweltliche Verflechtungen vermögen kein Wertesystem auf Dauer zu halten. Denn es fehlt die "Gerichts"-Instanz, der gegenüber ich verantwortlich bin.
  • Die derzeit angebotenen Atheismus-Bücher sind vertane Zeit - ihnen fehlt es an (intellektueller) Ernsthaftigkeit.
  • Der Schöpfungsglaube sagt ja nicht, "wie" die Welt entstanden ist, sondern "wodurch", wem sie sich verdankt. Die Theorie der Evolution ist also keine Dimension des Gottesglaubens. Es bleibt aber dennoch unerklärbar, wie evolutionär "Schmerz", "Trieb", "Gottesglaube" materialistisch entstanden sein soll. Materie kennt diese Dimensionen nicht. So wie sich nicht erklärt, woher die Selbstübersteigung des Menschen (z. B. im Selbstopfer) kommen sollte, das Unbedingte. Weltimmanent ist es nicht vorhanden.
  • Eine Perspektive, die weiß, daß sie nur eine Perspektive ist, ist bereits mehr als eine Perspektive. Insofern kann der Mensch sich sehr wohl selbst überschreiten.
  • Wenn wir uns als Menschen denkerisch ernstnehmen wollen, müssen wir einen Gott annehmen. Tun wir das nicht, so müssen wir vieles andere streichen - die "Kosten sind unter anderem der Verzicht auf "Wahrheit". Und: "Moral". Aus dem Nichts kommend, ins Nichts gehend, bleibt A-Moral, und damit die Aufforderung, sich wenigstens zu amüsieren.
  • "Herr, wohin sollen wir gehen" - Petrus drückt hierin die Alternativlosigkeit aus, drückt aus, daß er Gott begegnet ist, auch wenn er ihn nicht versteht. Spaemann erzählt, daß er einfach nie einer Alternative begegnet ist, die ihm plausibler erschienen wäre. "Auch wenn ich das Turiner Grabtuch ansehe: da ist etwas darinnen, das ich gerne "mein Herr!" nenne." Gott habe ihm eine vollständig andere Sicht auf die Welt geschenkt - die Welt als Geschenk zu betrachten, auf das man mit Dank reagieren kann.






*060110*