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Samstag, 27. Februar 2010

Angstliteratur

Man kann die engagierte Literatur, die ideologisch und moralistisch ausgerichtete Literatur auf einen simplen Tugendfehler beim Literaten reduzieren: Der Angst hat, daß sich herausstellen könnte, er habe nichts zu erzählen. Der Angst hat, er könnte zu wenig sein für die Aufgabe, die er einzig in seinem Leben sieht. Und hier wird er unglaublich rasch konventionell, langweilig und unkünstlerisch, und rechtfertigt dies mit moralischer Notwendigkeit - mit Seelsorge ...

Er vertraut sich nicht. Und vielleicht hat er nur Angst vor der Bescheidung, die Werk immer bedeutet: Man wird schwer in seinem Glauben geprüft und nie kann man sich den Weg der Selbstläuterung ersparen.

Also meint er, einen Inhalt explizit machen zu müssen. Und sein Werk wird Predigt. Also meint er, sich figürlich einbinden zu müssen, um etwas wert zu sein.

Das dachte ich mir nach dem Anhören eines Interviews mit Josef Haslinger im Radio. Wo er unter anderem eine nette Anekdote erzählte: Er sei mit Peter Turrini unterwegs gewesen, und habe diesem erzählt, daß er in seiner Kindheit Pfarrer werden habe wollen. Der habe ihn daraufhin angeschaut, ein paar Sekunden nachgedacht, und dann gesagt: "Bist es eh' geworden."

Zur Schreibakademie Leipzig, an der er unterrichtet, sagte er einen interessanten Satz: Er meinte, daß eines der Kriterien, die zeigten, ob jemand literarisch tiefergehende Ambition und vor allem Talent habe, sei, daß er in seinem Schreiben das Klischee, das einfache Verwenden von Überkommenem, die Konvention zu vermeiden suche, ja: "Schon, daß er das überhaupt erkennt, zeigt sein Talent an."

Das Wesentliche am Künstler ist ganz sicher, daß er schaffen will - und man schafft nicht, wenn man nur das Äußere nachbildet, nur funktioniert. Jeder Künstler zeigt sich deshalb darin, daß er mit Vorhandenem zu spielen beginnt, was nur geht, wenn er es beherrscht.

Weshalb, so Haslinger, auch ein Kriterium sei, ob der Aufnahmekandidat (jährlich gibt es davon sechshundert, aufgenommen werden zwanzig) ... viel lese.

Wie wirklichen Genies übrigens, die, so Haslinger, die würden ohnehin nie so eine Akademie betreten. Na, dann besteht ja für viele noch Hoffnung.