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Freitag, 28. Mai 2010

Das nächste Pulverfaß


Am Gelände des ehemaligen Wiener Nordbahnhofs, im 2. Wiener Gemeindebezirk, der Leopoldstadt, wird nun Zug um Zug ein neues Stadtviertel aus dem Boden gestampft. Die nächste Ausbaustufe wurde nun eröffnet, und dazu ein Gesamtkonzept vorgestellt, das sich, wie die Presse berichtet, folgende Zielsetzungen steckt:

Ein groß angelegtes Integrationsprojekt samt Ganztagsvolksschule, das für eine soziale Durchmischung im Wohnbereich sorgen und sich zu einem Vorzeigeprojekt entwickeln soll. Was darunter zu verstehen ist? Ein Konzept, das die Stadtregierung bei jeder passenden (und auch unpassenden) Gelegenheit propagiert: „Beim Reden kommen die Leut' z'sammen.“

  • Weltcafé. Als Plattform für ein Treffen der Kulturen wird ein Weltcafé eingerichtet. Ein Café, das vom Konzept her angelehnt an Dritte-Welt-Läden ist (Fair Trade), und in dem Menschen verschiedenster Herkunft sich in Caféhaus-Atmosphäre treffen, kennenlernen und plaudern können.
  • Kulturelle Veranstaltungen. Ein Weg, um Vorbehalte und Differenzen abzubauen, wird über kulturelle Veranstaltungen führen. Sie sollen ein fixer Bestandteil des Integrationsprojekts werden, Einheimische und Neo-Österreicher gleichermaßen ansprechen und damit eine Plattform bilden, um den Kontakt zwischen den Mietern zu erhöhen und Vorurteile abzubauen.
  • Nicht nur Türken. Mindestens 20 Prozent der Mieter sollen einen Migrationshintergrund haben, damit das Integrationsprojekt auch ein Integrationsprojekt wird. Zumindest hat sich Vizebürgermeister Ludwig diese Latte gelegt. Nur: Eine Quotenregelung wäre gesetzwidrig, der Migrationshintergrund wird bei der Anmeldung auch nicht erhoben – also wird das Projekt mit mehrsprachigen Broschüren gezielt in den verschiedenen Communities beworben. Und, was aus dem Konzept hervorgeht: Es soll auch eine Durchmischung der Ethnien geben – der Migrantenanteil von mindestens 20 Prozent soll also nicht nur aus türkischen Wienern bestehen, sondern aus einer möglichst ausgewogenen Mischung jener Migranten, die in Wien vertreten sind.
  • Interkulturelle Gemeinschaftsgärten. Ein weiterer Baustein, um Berührungsängste zwischen Einheimischen und Migranten abzubauen und den Kontakt zwischen den verschiedenen Gruppen zu fördern, sind interkulturelle Gemeinschaftsgärten. Der gemeinsame Kampf gegen das Unkraut, die Gespräche über die selbst gezüchteten Paradeiser und das Wuchern der Gänseblümchen – diese Themen sollen Wiener und Neo-Österreicher beim Gärtnern näherbringen.
Dazu fällt mir nur ein, was Grassi über die Notwendigkeit des Diskriminierens - als Wahren der Gegensätze, die nur im Wahren des "Ornats" der jeweiligen Besonderheit besteht - schreibt, wo er Cicero zitiert: "... weil die Athener keine unterschiedlichen Grade der Würde besaßen, behielt die Bürgerschaft nicht die ihr eigene Ordnung." Da die Dinge erst in ihrem Verhältnis zueinander - das ausgedrückt, nicht verwischt werden muß! - konkret in Erscheinung treten, bleiben sie ohne ornatus dunkel.

Damit sind Spannungen, gerade bei solchen Gleichmacherprojekten, regelrecht vorprogrammiert, und dem Konto zeitgemäßer Dummheit zuzuschreiben. Nichts kann Gelassenheit entfalten, das sich (und das ist gleichbedeutend mit Identität) gefährdet sieht. Während neue Identität lange, Generationen gar, braucht, um sich zu entwickeln, um sich auch umzugestalten, um zu integrieren.

Das Problem mangelnder Integration von Zuzüglingen ist nicht auf diese Weise lösbar. Es ist gar nicht direkt und gleich lösbar, weil der Mensch keine Summe programmierbarer Funktionen ist, sondern zuerst IST und zu sein verlangt. Alle Dinge sind sie selbst erst durch und in ihren Beziehungen. Beziehungen aber kann nur haben, wer sich auf ein "Seinsbild" seiner selbst bezieht, das ihm vorausgeht - und das natürlich in der unerläßlichen Ausfaltung dieser Insonderheit durch konkretes und immer differentes Leben besteht.

Aber was zählt das alles, angesichts eines Klubobmanns der ÖVP, Khol, der vor wenigen Jahren, wie jetzt auf einem Video bekannt wurde, auf einer Versammlung eines maßgebenden muslimischen Jugendverbandes unter lautem Beifall den anwesenden Muslimen verkündet: "Ihr seid die Zukunft Österreichs!" Man hat also seitens der Politik ohnehin längst die Gegenwart, das gegenwärtige Volk, aufgegeben.

Denn auch in dieser Siedlung wäre es realistischer und einem sozialen Frieden zuträglicher, ein Muslimenviertel einzuplanen, das von Christenvierteln Wiener Identitätsträger getrennt ist.


*280510*