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Dienstag, 15. Juni 2010

Partei, nicht Parlament

Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen, so Max Weber in "Politik als Beruf", war die Umbildung der Demokratien zu Parteienlandschaften. Damit wurde das Wesen des Politikers maßgeblich verändert: die Parteien wurden zu schlagkräftigen "Maschinerien", die durch Diszipilin und Effizienz das Ziel - Stimmen- und Machtgewinn - umsetzen sollten. Erstmals entstand der Typus des Parteibeamten, und zugleich veränderten sich die Anforderungen an den Führer der Partei.

Denn das unzweifelhafte Hauptkriterium wurde nun, daß derjenige auch als Führer gewählt wurde - von den Parteibeamten - der den Apparat, die Maschinerie, am besten bedienen konnte! Und damit entstand erstmals auch eine bemerkenswerte Diskrepanz zu den Parlamenten, denn diese Anforderungen bedeuteten auch, daß die Parteimaschinerie in Gegensatz zum Parlamentarismus an sich gelangte: Führer war der, dem der Parteiapparat auch gegen das Parlament folgte.

Die Parteimitglieder und -funktionäre erwarteten selbstverständlich auch vom gewählten Führer persönliche Vorteile! Er mußte, aufgrund seines Charismas, das von ihm erwartet wurde, nicht nur den Machtbereich der Partei, und damit der Funktionäre, vergrößern, sondern sie auch für die Gefolgschaft entlohnen.

Nicht mehr also der Parlamentarier war der "Pfründevergeber", sondern der Parteiführer. Ein dramatischer Paradigmenwechsel! Aus dem Politiker aus Charisma - wurde ein plebiszitär gewählter Parteiführer. Und Weber dazu radikal: "Die Leitung der Parteien durch plebiszitäre Führer bedingt die Entseelung der Gefolgschaft, ihre geistige Proletarisierung, könnte man sagen. Um für den Führer als Apparat brauchbar zu sein, muß sie blind gehorchen, Maschine [...] sein, nicht gestört durch Honoratioreneitelkeit und Prätensionen eigener Ansichten."

Eine Entwicklung im übrigen, die aufgrund der soziologischen Gegebenheiten in den USA von Anfang an verkehrt herum zu Europa ablief, auch wenn sich mittlerweile manches angeglichen hat - dort waren es, anders als hier, zuerst die bürgerlichen Parteien, die solche Entwicklungen nahmen. In Europa hingegen die Sozialdemokraten.



*150610*