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Montag, 14. Juni 2010

Verzweckung der Journaille

WEIL, so Max Weber, das moderne Parteienwesen insbesonders der Sozialdemokratie unter der "Leitung" einer Ideologie steht, bewirkt sie eine quasi-Verbeamtung ihrer Parteistrukturen. Gleichzeitig hat ihre Wortlastigkeit für Journalisten Möglichkeiten geschaffen, wie sie den bürgerlichen Parteien fremd waren, deren politische Demagogie weit mehr auf persönlicher Leistung, Reputation und Charisma beruhte, und die Aufstiegsmöglichkeiten von Journalisten haben sich dort zunehmend verschlechtert. Allerdings ist Journalistentum und wirkliche Parteiführerschaft so gut wie ausgeschlossen, weil die beruflichen Anforderungen eine rein praktischer Vereinbarlichkeit der beiden Tätigkeiten ausschließen.

Diese Entwicklung, kann man hinzufügen, hat sich im 20. Jahrhundert vollauf verfestigt und Max Webers Analyse aus 1920 bestätigt: Die Linke hat weltweit die Medienwelt weitgehend in die Hände gespielt bekommen, und sie hat ungleich der bürgerlichen Journalisten ausgebildet, die ihrem Wesen nach Vertreter ihrer Ideologien waren. Journalisten gehörten nicht nur zu den ersten, sondern lange Zeit neben den wirklichen Abgeordneten einzigen bezahlten Politikern in der Geschichte europäischer Politik.

Dabei, so Max Weber warnend, hat in dieser heutigen Form der Demokratie der Journalist ein Ethos zu tragen und zu erfüllen, der dem des Gelehrten in der Subtilität der Freiheitsbewahrung in nichts nachsteht!

Dort, wo die Medien noch (Weber schrieb seine Arbeit über "Politik als Beruf" 1919!) unabhängig sind - und ihr kapitalistisches Wesen würde sie nicht nur dazu anhalten, sie brauchen ja alle Seiten als Inserenten, sondern ist auch die Ursache für eine umgekehrt selten verantwortete Haltung gezielter und verwirrender Indifferenz -  seien überall Bestrebungen der politischen Gruppierungen zu beobachten, sie durch Inseratengelder für sich zu instrumentalisieren. Das bringt automatisch die größten Probleme für kleine Medien, große können sich dieser Einflußnahme noch eher entziehen.

In jedem Fall ist das Anonymitätsprinzip - man beachte: Dieses Prinzip ist heute so gut wie gefallen - ein Garant für die Freiheit der Medien. Denn schon im Ersten Weltkrieg hat sich eindeutig gezeigt, so Weber, daß die Aufgabe der Anonymität für manche Medien zwar deutliche Auflagensteigerungen brachten, aber die Verantwortungsbereitschaft der Medien, die vielfach auf schlimmes Boulevardniveau sanken, gegen die Erwartungen, die man in persönliche Greifbarkeit hatte, rapide sank: Der Weg war frei für nicht immer unzweifelhafte Journalistenpersönlichkeiten.

Übrigens differenziert Weber deutlich, wenn er Journalistik als an sich geeigneten Weg eines Berufspolitikers sähe. Denn wie selten woanders, kommt es hier auf den tadellosen Charakter an, weshalb insbesonders Charaktere, deren Daseinsgefühl vor allem nur dann stabil bleibt, wenn sie in einer gesicherten ständischen Lage sich befinden, ungeeignet und gefährlich sind.

Das Leben des Journalisten, so Weber, ist Hasard schlechthin! Und zwar unter Bedingungen, die die innere Sicherheit in einer Art auf die Probe stellen wie wohl kaum sonst in einer beruflichen Situation. Es sei deshalb nicht das erstaunlich, daß es unter Journalisten so viele moralisch-menschlich entgleister Persönlichkeiten gebe, die den vielfachsten Versuchungen dieses Berufes erlegen sind, sondern das erstaunlichste sei, daß es so viele moralisch INTEGERE Menschen unter Journalisten gäbe.



*140610*