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Mittwoch, 23. Juni 2010

Wider den Akademismus der Künstler

Die Presse bringt eine sehr hellhörige Kritik am Bachmann-Preis, der in diesen Tagen in Klagenfurt abgeführt wird. Sie berichtet von Erscheinungen, die bemerkenswert sind: Mehr und mehr Teilnehmer an diesem Wettlesen, das ja noch immer als Maßstab aktueller, zukunftsträchtiger Literatur gesehen wird, sind Absolventen von "Schreibakademien" (allen voran: Leipzig), diesmal bereits über fünfzig Prozent. Oder sind speziell damit befaßt, mit ihrer "Literatur" den Kriterien des Wettbewerbs zu entsprechen. Damit wird es auch den Juroren "leichter", zu bewerten, denn sie müssen nicht riskieren, sich mit einem originären, eigenständigen Urteil unter Umständen zu blamieren. Ihr Zuhören wird damit bereits zu einer deperzeptiven Übung, ihr Urteilen wird bedingungsweise und orientiert sich natürlich am bestehenden damit perpetuierten Literaturbetrieb und -geschmack. Jeder Preisträger wird somit zu einem Garanten kommerziellen Erfolgs, und sei es, daß er die Sparte "Avantgarde" abdeckt, deren Kriterien die Juroren ja gleich mitliefern.

Literatur wird in Klagenfurt zu einem Possenwerfen, einem Figurenstellen, das selbst die "Ausreißer" einkalkuliert und in die Gesamtdramaturgie eingegliedert hat.

Somit wird der Bachmannpreis mehr und mehr zu einem eigentümlich hermetischen Geschehen, das sich seine Bedingungen wie deren Erfüller selbst schafft. Die Ursprünglichkeit, die Kunst und Literatur haben muß, um überraschend sein zu können - und das muß sie ja sein, denn eine Antwort in die Zeit hinein muß überraschend, unter Umständen auch unangenehm sein.

Diese Entwicklung hat sich in der ganzen Kunst abgespielt, und der Zug rast bereits unaufhaltsam dahin - die "Akademisierung" der Kunst.

Nicht, daß sie damit besser würde - aber die Rezeption konzentriert sich nur noch auf einen hermetischen Betrieb, in dem sich solche bewegen, die in Akademien lernen, sich betriebskonform zu bewegen.

Aus Künstlern werden so Absolventen dieser oder jener Akademien, samt mitgelieferter Identität.

Und genau das ist aber das Kriterium: Identität. Zum Wesen der Kunst gehört die Archetyplosigkeit, das heißt, daß der Tätige seine eigene Archetype schaffen muß, somit steht er am Anfang "nackt" da, als "nichts."

Auseinandersetzung in der Kunst muß aber identitärer Prozeß SELBST sein!

Die Akademieabsolventen weichen dem aus, und beginnen nun genau dort - mit einer Identität. Die Auswirkungen auf das Kunstwerk und auf die Kunst selbst sind dramatisch! Denn als Folge verliert der nun zum irrelevanten Dilettanten Gestempelte, der Nicht-Akademiker, sogar seine Chance auf gebührende Autorität und Rezeption ... denn auch deren Wahrnehmung entspricht demselben Akademismus, in Verlagen, in Zeitungsstuben.

"Know-how" ersetzt wirkliche Bildung - auch die sollte ja ein Persönlichkeitsprozeß sein.

So trifft sich dieselbe Motivation, bei Tätigen, bei Kritikern: man will sich das Schmerzhafte ersparen, das Nichts, die Todesangst, die Blamage ...

Der Kunstbetrieb wird zu einem Club. Das war zwar nie anders - doch heute scheint er so total wie nie hermetisch zu sein.



*230610*