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Dienstag, 29. Juni 2010

Widerspruch 3299

Daß mittlerweile sechstausend türkische Kinder in Wien Sprachunterricht in "ihrer Muttersprache" - türkisch - erhalten, ist (so wird es nicht nur vom Bürgermeister der Stadt begründet) Ausdruck einer Erkenntnis der Pädagogik, daß ehe ein Kind eine Fremdsprache zu erlernen in der Lage ist, es notwendig sei, daß es seine Muttersprache perfekt beherrsche. Es gehe um das Zur-Sprache-Kommen generell, und von dort aus sei es dann möglich, auch das Deutsche zu erlernen.

Ein kognitiver Umsetzungsprozeß, wie es auch übrigens Leo Frobenius beschreibt, der den Sprachaufbau vom intuitiven Erfassen ausgehend über eine Verquickung über Laute in der Überleitung zu den Begriffen sieht. Fremdsprache, so Frobenius, ist dann die erlernte Adäquatheit. Und in der Tat kann man die Frage stellen, ob ein Menschenleben überhaupt ausreichen kann, eine einzige, die Muttersprache, zu erlernen. Denn die Anwendung einer Sprache ist letztlich eine Frage der Erkenntnis, des Geistes, der das Anschauliche ins Begriffliche zu führen vermag - eine lebenslange Aufgabe, und von Tugend nicht zu trennen.

Es gibt dabei nur wenig das die Erkenntnis mehr hindert, als eine Sprachbeherrschung, die das Sprechen selbst zu einem automatischen Prozeß macht, der Mund also dem eigentlichen Erkennen davonläuft. Hier kann Sprache Schienen legen, die in die Irre führen, zugleich aber diese Irrwege fast unabänderlich machen - Sprache wird dann zum Gefängnis, und Irrationalität (oder, im Extremfall, Wahnsinn) ist die Reaktion.

Ganz andere Erkenntnis scheint aber offenbar die Pädagogik dann zu haben, wenn es um das Erlernen von Fremdsprachen bei österreichischen Kindern geht. Hier gilt seit Jahren die Maxime, daß es nicht früh genug sein kann, wenn Kinder mit Fremdsprachen konfrontiert werden, ja hier hat sich sogar der gesamte Fremdsprachenunterricht auf den Schulen umgesetellt, und folgt einem Konzept, wo es nicht mehr eine Muttersprache, und ein, zwei, fünf Fremdsprachen gibt, sondern nur noch Muttersprachen.

Fremdsprachenunterricht für Österreicher setzt heute bereits im Kindergarten an, und jedes Volksschulkind, das kaum einen geraden deutschen Satz zu verfassen in der Lage ist, vermag denselben Kauderwelsch noch in Englisch zu transportieren.



*290610*