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Donnerstag, 17. Juni 2010

Zur Erinnerung

Der Staat, so Max Weber, ist keinesfalls ein loser Zusammenschluß sozialer Gebilde, sondern er ist eine klar bewußte Veranstaltung des Monopols, Gewalt zu verteilen beziehungsweise auszuüben. Staat läßt sich soziologisch nur über die Mittel der Gewalt definieren. "Ohne Gewalt gibt es keinen Staat," sagt deshalb Trotzki völlig richtig in Brest-Litowsk (wo er 1918 die Friedensverhandlungen mit Deutschland führte, Anm.) Fehlt einem Staat diese Gewalt, kann man von Anarchie sprechen.

Zwar ist Gewaltsamkeit nicht das einzige und normale Mittel der Ausübung politischer Macht, aber es ist das ihm spezifische. Was in der Vergangenheit (immer) Gewalt auch Mittel jeweiliger sozialer Gefüge, so ist heute das Verhältnis der Staaten zur Gewalt höchst intim geworden, indem sie nach und nach alle, auch die in partiellen Gefügen existierende Gewalt(en), an sich gezogen haben. Das ist das, so Weber, der Gegenwart Spezifische: daß der Staat jede Form der Gewalt monopolisiert.

Politik heißt also: Streben nach Leitungsgewalt, nach Macht. Während jeder Herrschaftsbetrieb, der Staat also, vor allem eines braucht, um zu funktionieren: Gehorsam gegenüber jenen Herren, deren Gewaltausübung auf dem Anspruch auf Legitimität besteht.

Warum ich das bringe? Weil man sich manchmal, und für viele gilt gewiß: das erste Mal, mit den ganz einfachen Grundtatsachen der Dinge, die uns umgeben, noch mehr aber: die uns bestimmen, auseinandersetzen muß. Vielfach hat man heute ja den Eindruck, daß die meisten Diskussionen mit Begriffen operieren, deren Grundgehalt kaum noch transportiert wird, die also völlig leer und deshalb offen für jede Form von Mißbrauch verwendet werden.

So das Verhältnis von Staat und Gewalt. Das nachdenken läßt über das Verhältnis jedes soziologischen Gebildes - und wie erst die Familie - zur Gewalt. Und über die Konsequenzen, die es hat, wenn der Staat, die jedem sozialen Gefüge notwendig eigene Gewalt zentralisiert.

Denn unmittelbar neben einer solchen Zentralisierung der Macht (beziehungsweise Gewalt) steht, daß in einem Staat Gehorsam und Loyalität den Herrschenden gegenüber nur mit zwei Mitteln wirklich aufrechterhalten werden können: durch soziale Anerkennung und Reputation, die der Herrschende vergibt, und ... durch materielle Anreize und Belohnungen, durch Geld.  Der totale Staat braucht also auch totale materielle Verfügungskraft.

Wie umgekehrt: totale Verfügungsgewalt bringt unweigerlich und automatisch, als der Sache einwohnend, totale Gewalt.

Soviel zum Sozialstaat, zu dessen Automatismus es gehört, jedes soziale Gefüge nach und nach zu determinieren, und damit aufzulösen, alle kleinen Sozialgefüge zu einem einzigen großen umzugestalten ...

Schon aus diesem Grunde muß mit großer Skepsis betrachtet werden, wenn unter "Verwaltungsreform" verstanden wird, untere Verwaltungseinheiten aufzulösen, um Verwaltung (noch mehr) zu zentralisieren! Vielmehr sollte über ein anderes Prinzip nachgedacht werden - nämlich jenes, ob nicht die Wurzel gar vieler Übel in der "Professionalisierung" von Politik als Beruf liegt: brauchen wir überhaupt Berufspolitiker? Sie staunen? Die Schweiz hat keine ...




*170610*