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Freitag, 16. Juli 2010

Seltsame Parallele

Man meint vielfach, daß Zeiten, in denen die Wissenschaft im Volk eine große Rolle spielt, Zeiten verminderten Aberglaubens seien.

Betrachtet man die Menschheitsgeschichte scheint das Gegenteil der Fall zu sein! In Zeiten starker Wissenschaften schießt der Aberglaube, das Okkulte, ins Kraut! Sowohl im einfachen Volk, wo sich alle möglichen Formen von Wissensverkrüppelungen breitmachen, wie aber auch bei den hohen Herrschaften!

Ein illustratives Beispiel: die Renaissance. Hier - der Mensch, nüchtern und rationalistisch wissenschaftlich, der das Weltbild auf den Kopf stellt. Und dort - die fast seuchenartig sich ausbreitenden okkulten Praktiken, allen voran die Astrologie. Bei denselben Personen mitunter!

Der geneigte Leser meint, die angesprochenen Wissensverkrüppelungen hätte es nur im 15. Jahrhundert (auf jeden Fall: "früher") gegeben? Na dann sei er versichert: es hat sie "immer" gegeben. Und immer war gewiß: nicht "heute" ... und dann richte er zur Vergewisserung, daß ihn ein großes Staunen noch befallen wird, einmal den Blick auf das, was gerade der Umstand der Halbgebildeten (und: was mehr als Halbbildung ist das Ergebnis des Absolvierens heutiger Schulen und Universitäten, die nur noch Vollzugsorgane zeitgemäßer Hermetisierungsriten sind?) als "durch Wissenschaft abgesichertes Wissen" vertritt. Und dann richte er den Blick auf die kaum mehr überblickbaren okkulten, esoterischen Praktiken, Geheimlehren und Kulte, die sich heute finden, und deren groteske Auswüchse hier gar nicht aufgezählt, sondern nur dem Archiv - zur späteren Belustigung - anheimgestellt werden sollen, weil sie dem gemeinen Volksempfinden bereits so "normal" vorkommen, daß man das Staunen der letzten Vernünftigen über all diese Narrheit nicht nachvollziehen kann.

Und IN dieser Zeit des späten 15., frühen 16. Jahrhunderts, in der alles auf einen Endpunkt wartete, in einer Endzeit zu leben meinte, auf ein großes, alles umwälzendes Ereignis wartete (unter anderem auch auf eine neue Sintflut übrigens ... wegen Gletscherschmelze? Nein, aufgrund einer seltsamen Prophetie ...), da entstand auch der Hexenwahn.

Der also NICHT - wie oft so fälschlich vermeint - eine Frucht des Mittelalters, sondern der beginnenden Neuzeit war! Wo mit einem Male die geordnete Welt des Mittelalters - wo die ganze Welt eine einzige Ordnung war - zerfiel, zu einem Hort der Dämonien, zur Hölle, zum Schrecken wurde. "So können die Dinge nicht mehr weitergehen," war der Tenor.

Die Kunst zeigte diese Umbrüche. Zeigt sie es nicht heute genauso? Ist nicht der heutige Verzicht auf Ordnung in der Welt (sogar: die Flucht in den Trash) - die Öffnung des Tores zur Hölle auf Erden? 


*160710*