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Mittwoch, 25. August 2010

Und Galilei irrte doch

Es gibt keine präzise Gleichheit außerhalb von Gott. Cusanus begründet dies sehr klar, und hier sei nur auf den Zusammenhang von Zeit - Gestalt - Ort/Raum hingewiesen, wo schon der nächste Moment, eine völlig neue, unwiederholbare Konstellation der Bedingungen des Seienden mit sich bringt.

Darin läßt sich übrigens eine bemerkenswerte Argumentationsreihe bis hin zur Verteidigung der Metaphysik und des Weges des Erkenntnisgewinns durch Kard. Bellarmin im Prozeß gegen Galileo Galilei finden. (Die Erkenntnis ergibt sich, vereinfacht, nicht aus dem Beobachten, sondern das Beobachtete verifiziert oder falsifiziert ein Apriorisches.) Denn die Mathematik, die ja auf die Anschaulichkeit und Geometrie zurückzuführen ist, läßt sich ebenfalls nur abstrakt und im geschlossenen System, nicht aber im Konkreten präzise finden.

Sonst aber bleibt immer Mangel. Und das ist so beispielhaft erfahrbar in der Musik erlebbar, deren Takt und Intervalle niemals so präzise sind, daß sie nicht noch präziser sein könnten, wie Cusanus diese Ungleichheit zweier Dinge so erstaunlich gut faßt. Die Proportionen der Dinge also können gar nicht exakt gleich sein, und deshalb können es auch nicht die Sternenläufe an sich sein. Und die Astronomie weiß das ja ohnehin längst, und korrigiert deshalb von Zeit zu Zeit diese realen Abweichungen "so gut es geht".

Nicht eine Bewegung aber gleicht der anderen ganz genau, nicht ein Maß ist exakt dem anderen, weil das Maß und das Gemessene notwendig verschieden sind. "Das läßt," so Cusanus, "eine Anwendung auf unendlich vieles zu."

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Was im übrigen elektronische Musik so fragwürdig und nicht menschengerecht, in ihren Auswirkungen so problematisch und "tot" macht.

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Die präziseste, vollkommen harmonische Proportion als vollkommene Harmonie gibt es nur in Gott. Sie ist für den im Fleisch lebenden Menschen aber unhörbar, weil diese Vollkommenheit alles Rationale unserer Seele als deren Grund und Substanz als Rationales an sich sofort an sich ziehen würde, so wie das vollkommene Licht alles nicht vollkommene Licht absorbiert. Damit würde die Seele von ihrer sinnlichen Grundlage abgelöst - der Mensch würde nichts mehr hören.

Aus dieser ewigen Proportion aber, die unserem Da- und Sosein zugrunde liegt, und auf die hin sich die Seele streckt, ergibt sich das Schöpferische, das Gestalten des Menschen als Hinweis und Hinführung auf die absolute Schönheit und Vollkommenheit - allem Seienden (das notwendig gestalthaft ist) liegt sohin die Proportion und der Rhythmus zugrunde.

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Aber nicht nur gibt es keine absolute Gleichheit - es gibt auch keine absolute Verschiedenheit der Dinge voneinander. Diese ist eher eine Frage der nie gleichen Gewichtung (und damit: Übergewichtung) vergleichbar, und Bedingung wie Folge der Endlichkeit. Denn in der Unendlichkeit (oder im Aufgehen des Individuellen darin) würde sich jede Unterschiedenheit aufheben, weil alles enthalten wäre.

So ist - wir nageln diese Sätze gleich am Boden fest - in der Lebenswelt erkennbar, daß sich Identität, So-sein, umso klarer darstellt, je klarer die Unterschiedenheit besteht. Und das läßt sich wohl gut und an vielerlei beobachten.

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Der Weg zu Gott kann also nicht der Weg über die Auflösung alles Konkreten sein! Was diese Individualität auflöst, stirbt - das Tote löst sich auf, wie jeder beobachten kann. Wozu es auch nicht den Hinweis auf das erste Thermodynamische Grundgesetz - die zunehmende Entropie - braucht. Wie es der Buddhismus (unter anderem) propagiert, oder Schopenhauer formuliert, deren beide alles ins Nichts auflösen. Und es geht nicht über Moral (an sich), nicht über Verhalten (an sich). Es geht über Ähnlichkeit mit der Idee in Gott, deren Spiegel das Geschöpfliche ist - Spiegel wie Bild, aber nicht identisch mit dem Unendlichen, lediglich aus diesem stammend, ohne diesem ins Nichts fallend. Von Anbeginn da und gedacht.

Der Weg zu Gott kann also nur über die Vollkommenheit des Konkreten, also über die Schönheit der Gestalt gehen. Denn die Trennung vom Sein an sich - als Unähnlichkeit mit dem Sein verstehbar, als Häßlichkeit, als Disharmonie sinnlich erkennbar - folgt aus der Unvollkommenheit. Und diese ist hinwiederum eine Unvollkommenheit des Wollens - Unvollkommenheit hat keine "positive" Ursache, sie ist deren Ermangelung, und damit auch zufällig.



*250810*