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Donnerstag, 21. Oktober 2010

Seltsame Blüten

Die Blüten, die die Bewegung des Heiligen Franz von Assisi indirekt trieb und anstieß, waren beträchtlich, und die Kirchengeschichte ist ab der Gründung des Ordens voll mit Konflikten, Ordensabspaltungen, Sektengründungen und teilweise bedenklichsten Erscheinungen. Was dem Heiigen Franz adäquat war, war eben im Grunde eine Form der Häresie, und stieß in der Form eines Ordens bald an sehr logische und natürliche Grenzen - alleine die Eigentumslosigkeit war ständiger Streitpunkt, weil sie bei einem Klosterbetrieb, der gewisse Notwendigkeiten aufwarf, nicht wirklich durchführbar war.

Zusammen mit den Prophetien des Joachim von Fiore blühten bald die seltsamsten Gewächse auf, der Heilige Franz galt als apokalyptische Figur, und Kaiser Friedrich II. als Antichrist. Erst als dieser 1250 (und NICHT 1260, dem angeblichen Todesjahr des Antichristen) verstarb, floß manches wieder in ruhigere Gewässer. Aber insgesamt bildeten sich rigoroseste und versponnenste Gemeinschaften, mit teilweise beachtlicher Anhängerschaft, und man muß hierin ein gewisses Erbe der Waldenser erblicken, das im Heiligen Franz insofern weiterlebte, als es tendenziell im Subjektivismus angelegt unter anderen Bedingungen den franziskanischen Gedanken leicht zum Rigorismus und schwärmerischen Fanatismus kippen ließ. Mit am tollsten trieben es aber die sogenannten "Apostoliker" in Parma, eine - Henry Thode beschreibt es - nachgerade Karikatur des Minoritenordens.

Ihr Stifter, Gherardo Segarelli, wollte in allem Christus nachahmen, legte sich sogar in die Wiege, und benahm sich wie ein Säugling. Er lief wie toll herum, und rief fortwährend "Tut Buße, tut Buße, tut Buße!", forderte auf dem Lande die Leute auf, sich in fremden Weinbergen an den Trauben satt zu essen, und war von so schwankem und unstetem Wesen, daß er eine Einladung der Bevölkerung mit "Entweder ich komme oder ich komme nicht" beantwortete.

Er gewinnt sich einen sehr fragwürdigen und bekannt unmoralischen Gesellen, der Famulus bei den Minoriten war, ja gewinnt nach und nach weitere Anhänger. Denn die Sinnlosigkeit, deren er sich befleißigt, findet bei den Leuten Gefallen. Dabei tut die Gesellschaft nichts: sie beten nicht, sie hören nicht Beichte, sie predigen nicht, sie verwalten keinerlei kirchliche Funktionen oder erteilen gute Ratschläge - sind zudem weit davon entfernt, ein gutes Beispiel in ihrer Lebensführung zu geben. Nur der Umstand, daß diese chaotische innere Haltung eine Organisation unmöglich macht, verhindert ihre weitere Ausbreitung.

Erst ein gewisser Guido Putagius beendet das ziellose Treiben, reißt die Herrschaft des "Ordens" an sich, worauf ein förmlicher Kampf mit einer anderen Abteilung in der Mark Ancona beginnt. Sie benehmen sich wie unmündige Kinder. Sind sie mit Gherardo zusammen, so tun sie nichts als beständig "Pater, Pater, Pater" zu singen. Ihre Tracht ist nach Zeitzeugen unfaßbar grotesk.

Der arme Narr Gherardo mußte 1300 seine Verrücktheit mit dem Feuertod büßen, denn inzwischen hatte die Sache einen bedenklichen Anstrich bekommen. Mit Dolcino von Novara war ein energischer Mann an die Spitze der Apostelbrüder gekommen, der sich die realen gefährlichen Waffen der Patarener aneignete und sie mit erneuter Kraft gegen die römische Kirche führte. Es kam zur offenen Schlacht mit dem Heer der Inquisition, und die Apostolaten wurden 1367 am Berge Zebello eingeschlossen. Dolcino von Novara verhungerte qualvoll, gab aber nicht auf, und blieb seinen Überzeugungen bis zum Schluß treu.

 
*211010*