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Mittwoch, 19. Januar 2011

Notgeld ohne Banken

Das ist wirklich spannend, was der Standard da erzählt. Weil es zeigt, was Geld letztlich ist, und worauf es sich bezieht: auf die Glaubwürdigkeit des Zahlers (mit Geld), daß er die solcherart erst versprochene Leistung auch erbringt, in den gesamten Wirtschaftskreislauf einspeist. Nur das erleichtert ja Geld. Es macht den physischen Tausch von Leistung und Ware einfacher, oder erst möglich.

Und die Geschichte handelt von Irland. Die (damals) 3-Millionen-Einwohner-Republik hatte von Mai 1970 bis November 1970 nämlich einen veritablen Bankenstreit. Betrachtet man nun die hysterische Sorge der Staaten erst in den letzten zwei Jahren, ihre Bankensysteme nur ja nicht pleite gehen zu lassen, weil in der Folge das gesamte Wirtschaftssystem mit zusammenbrechen würde, zeigte sich damals etwas interessantes:

Irgendwie musste ja das alltägliche Leben weiterlaufen. Und genau das tat es auch: mit nicht gegenverrechneten Schecks auf die Associated Banks. Da ein schnelles Ende des Streiks schon zu Beginn ausgeschlossen war, wurden diese Schecks zum gängigen Zahlungsmittel. Normalerweise funktionieren Schecks gerade deswegen, weil man weiß, ob sie gedeckt sind oder nicht und dass über den Mittler Bank die Zahlung in kurzer Zeit erfolgt. Die Banken, die 85 Prozent des Spar- und Girogeldes verwalteten, waren aber geschlossen. Für wie lange, wusste im Mai 1970 keiner. Das hieß, die Fragen nach dem Vertrauen und der "Deckung" der Schecks musste über andere Wege geklärt werden.

Als Zahlungsmittel wurden also Schecks verwendet, und akzeptiert. ABER nur in dem Umfang, wie der Bezogene (der am Scheck die Zahlung verspricht) auch kreditwürdig war. Wie erfuhr man das? Von Mensch zu Mensch! Mit einer besonderen Rolle der Pubs, stellte sich sehr rasch ein sehr zuverlässiges Auskunftssystem ein, wo einer vom anderen erfuhr, wie zuverlässig und verantwortlich er mit dem Ausgeben von Geld (= Abgeben von Leistungsversprechen) umging. Wie kreditwürdig er also war.

Dabei ist auch nicht außer Acht zu lassen, dass keineswegs alle Schecks akzeptiert wurden, geschweige denn gleich behandelt wurden. Sie wurden - nach besten Wissen und Gewissen eben - in unterschiedliche Risiko-Klassen eingeteilt. Schecks, die auf allgemein bekannte, vertrauenswürdige Institutionen oder Unternehmen ausgestellt wurden, zirkulierten demnach oft und viel und galten als risikoarm. Bei jenen "Zahlungsmitteln" hingegen die auf Einzelpersonen ausgestellt waren, hing die Risiko-Gruppe stark von den Informationen und dem persönlichen Kontakt zwischen Scheck-Aussteller und Annehmer ab. Wie auch aus einem Bericht der Irischen Zentralbank aus dem Jahr 1971 hervorgeht, habe das System gut funktioniert, die ausgestellten Schecks wurden weitgehend als Zahlungsmittel akzeptiert - lediglich bei Schecks von dritten Parteien sei die Akzeptanz geringer gewesen. Was auch klar ist, fehlte hier doch der Vertrauensvorschuss in Sachen Kreditwürdigkeit.

Und so rettete sich das ganze Land über ein halbes Jahr, in welchem Sparguthaben genauso wie Kredite auf den Banken eingefroren waren, die die Pforten nicht öffneten. Natürlich heißt das alles nicht, daß es auch ohne Banken gienge. Nicht auf einmal, dazu bräuchte es einen wirklichen Wertetransfer. Was in Irland passierte war außerdem für alle nur die Überbrückung eines zeitlichen wie regionalen Teilausfalls (und: es gab ja noch ausländische Banken).

Was da passierte hat bewußt gemacht, was Geld überhaupt ist: eben genau ein Versprechen, das nicht einzuhalten staatlich sanktioniert wird, um seine Tauschfähigkeit zu steigern, den Wirtschaftsverlauf zu erleichtern.

Und es ist eine schöne Geschichte, wie rasch sich der Mensch wieder auf die Grundlagen der oft so komplexen Alltagsgeschehen erinnert, wie rasch auch virtuelle Welten auf sehr einfache Zwischenmenschlichkeiten reformiert werden können.

P. S. Solche Ersatzgeld-Einführungen gab es natürlich auch anderswo, und gerade in Österreich weiß man davon ein Lied zu singen, mit "Notgeld" noch manchen ein Begriff. In eine davon auch der Vater des Verfassers dieser Zeilen involviert, der 1946, bei der Errichtung des Donaukraftwerks Persenbeug, als Verantwortlicher für die Lohnauszahlungen den sogenannten "Doka-Schilling" einführte - ein Geldsystem auf begrenztem regionalen Raum. Ein System, das ebenfalls auf der Glaubwürdigkeit der Weitergeber beruhte, in der Zukunft (oder anderswo) wirklichen Wert für dieses Stück Papier zu geben.



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