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Dienstag, 15. Februar 2011

Im Wesen der Sache

In gewisser Hinsicht, so schreibt E. R. Curtius, ist die Völkerwanderung überschätzt. Denn die Germanen haben sich in dem Moment assimiliert, wo sie ins Römische Reich eindrangen. Augenblicklich haben sie sich mir römischen Dichtern und Gelehrten umgeben, und ihre Schriftstücke wurden sofort in Latein abgefaßt. Sie haben der Antike nicht einen Gedanken hinzugefügt,. und trafen im christianisierten Rom eine überlegene Kultur, der sie sich unterordneten.

Zur gleichen Zeit, aber ganz anders die Araber im 7. Jhd. Sie waren nicht assimilierfähig, weil sich in ihnen Religion und Völkisches zu einer einzigen mächtigen Stoßkraft verband.

Das war anfangs auch kein wirkliches Problem, weil die arabischen Eroberer zwar schon wollten, daß sich die unterworfenen Länder - und das war fast der gesamte Mittelmeerraum! - dem Islam und Arabien im Gehorsam anschlossen, aber dies nicht aggressiv verfolgten. Nicht zumindest anfangs! Wo die Araber auch gerne an Kultur annahmen, was sie als tauglich und ihnen überlegen vorfanden - so von Persern und Griechen.

Ähnliche Stoßkraft hatten die aus Asien einbrechenden Hunnen und Mongolen. Der Germane wird romanisiert, wo er Rom erobert. Der Römer aber arabisiert, wenn er unter arabische Herrschaft kommt.

Der Einbruch der Araber aber bringt im 7. Jhd. das erste mal den wirklichen Einbruch des bisherigen Kulturstroms zustande. Mit gravierenden soziologischen Folgen - die Merowinger büßen ihre wirtschaftliche Vormacht im Mittelmeer ein, und verlieren so Macht an landreiche Fürsten, ein Faktum, das die gesamte europäische Geschichte durchzieht.

Ein Kulturstrom, der sich in seinen Spitzen nach ... Irland quasi zurückzieht, um von dort, 200 Jahre später, ganz Europa neuerlich zu befruchten. Gleichzeitig mit dem Sperren des westlichen Mittelmeeres, dem Abbau der Kultur (das Karolingerreich fällt auf eine primitive bäuerliche Stufe zurück), schwindet die Bildung der Laien. Lesen und Schreiben verliert sich als allgemeine Fähigkeit - und Karl der Große braucht bereits die Kirche notwendig für Verwaltungsaufgaben!

Das Latein selbst bleibt durch die Germanen (!), in höchst einfacher Form, eine Sprache, die allerorten verstanden wird. Es gibt keinen Beleg, daß noch im 9. Jahrhundert Priester in (eben diesem einfachen) Latein gepredigt hätten, und NICHT von allen verstanden worden wären.

Ein neuer Wesenszug erscheint nun: die Priesterkaste, die den Staat ihrem Einfluß unterwirft. Und nun erst, weil nur noch die Priester gebildet sind, wird Latein zur Gelehrtensprache, und im 12. Jhd. gilt es bereits allgemein als von Waisen erfundene, unveränderliche Kunstsprache.

Während die soziale Struktur der Germanen prägend wird - in deren Lehens-, Feudal- sowie im nordischen Städtewesen.

Weil aber die ursprünglich in Rom gesprochene Sprache den Deutschen natürlich eine Zweit-, eine Fremdsprache war, die es zu lernen galt, und wenn, dann eben richtig, erhielt sich das "richtige" Latein dort - in Deutschland, in England, in Irland! Während es im Mittelmeer durch den Gebrauch zur Ausbildung der romanischen Sprachen - romanisch/romantisch/Roman wurde so zum Synonym für Volkssprache, volkssprachlich - kam, mit einer zwar natürlicheren Quellnähe, aber realeren Fremde zum "Latein" der Gelehrten.

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