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Freitag, 25. März 2011

Banalität der Neurose

Lawrence Kubie wendet sich in "Neurotische Deformationen des schöpferischen Prozesses" vehement gegen die weitverbreitete Meinung, daß Neurosen und psychische Störungen notwendige Begleiterscheinungen, wenn nicht sogar Bedingung des Kreativen sei. Ja viele fürchten sogar, sie könnten mit der Krankheit auch ihre hochbewertete Individualität und ihre zündende schöpferische Begeisterung verlieren.

"In Wirklichkeit ist die Neurose der banalste, am wenigsten kennzeichnende Ausdruck der menschlichen Natur. Dies gilt sogar für die Symbolsprache, in der sich die Neurose ausdrückt, ob nun in Symptom und Traum, ob in hervorragenden künstlerischen oder wissenschaftlichen Leistungen.

Solange aber die Menschen Veränderung scheuen, verteidigen sie ihre Neurosen, ohne es zu wissen. Wir möchten unsere Zahnschmerzen verlieren, aber wir möchten nicht daß das Gesundwerden uns zu etwas anderem macht als wir gewöhnt sind zu sein.

Keine Menschengruppe sei so hartnäckig im Verteidigen des Vorurteils der Notwendigkeit ihrer Neurosen wie die Künstler und Wissenschafter. Aus seinen Erfahrungen als Psychiater, sowie aus theoretischen Erwägungen heraus, ist Kubie aber der Meinung, daß die Neurose als getarnt auftretende Komponenten die schöpferische Produktivität des Menschen fatal hemmt, verglichen mit seinen Möglichkeiten unter Bedingungen der "Normalität".

"Darüber hinaus ist der letzte Rest der schöpferischen Kraft in falsche Bahnen gelenkt und durch die gleichen verschleierten Vorgänge verhärtet und zum Stereotyp verfestigt. Wenn Menschen Schöpferisches leisten so geschieht das trotz und nicht wegen des Ankämpfens gegen ihre Neurosen."

"Was schlimmer ist, die schöpferische Kraft, die nach diesem Kampf nochübrigbleibt, ist kulturell steril, weil ihr Ergebnis ein wirkungsloser Kompromiß zwischen zwei Vorgängen ist. So müssen nicht nur neurotische Künstler und Wissenschaftler einen hohen Preis für den ubiquitären neurotischen Prozeß bezahlen, nicht nur alle, die mit ihm zusammenleben, sondern die ganze menschliche Gesellschaft sowie Kunst und Wissenschaft, die der schöpferische Mensch mehren möchte und in denen er Sinn und Ausdruck seines Lebens sucht. Der Tribut, den die Neurose vonden schöpferischen Fähigkeiten des Menschen fordert, wird von der gesamten menschlichen Kultur bezahlt."


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