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Montag, 16. Mai 2011

Eine Wahrheit, über die man lieber schweigt

Was einer der mächtigsten Männer Österreichs, der Chef der Erste Bank, Andreas Treichl, zuletzt von sich gab - die Presse berichtet darüber - beschreibt leider sehr treffend einen Zustand, der aber beileibe nicht nur für Österreich gilt, aber generell viel zu wenig wahrgenommen wird: Politiker, so Treichl, seien allesamt zu blöd, zu feig, und verstünden von der Wirtschaft nichts.

Konkret reklamiert Treichl, daß die Kreditvergabe an Unternehmen restriktiver geregelt wurde, als gegenüber Staaten. Das führe dazu, daß wieder im rein spekulativen Bereich höhere Erträge (wegen höherer Risken) zu erwarten wären, die aber durch staatliche Garantien letztlich immer vom Steuerzahler zu tragen wären. Dies deshalb, weil das Geldschöpfungsvermögen der Banken eingeschränkt wurde - aber nur bei privaten Krediten! Für diese müßte nun eine höhere Eigenkapitalbedeckung vorgewiesen werden. NICHT aber bei Krediten an Staaten, bei Anleihen also.*



Das stimmt zweifellos. Und zweifellos hat Treichl recht wenn er meint, daß dies ein Beleg sei, daß Politiker nichts von Wirtschaft verstünden.

Nur sei er in diesem Punkt ein wenig relativiert, was den Aspekt "Wirtschaft" angeht, und vielleicht hilft es sogar, zumindest würde man es sich wünschen, wenn man sagt: Das sollen sie ja auch gar nicht! Die Wirtschaft eines Landes geht die Politik nur indirekt etwas an! Sie ist aber kein Gestaltungsobjekt der Politik. DAS wird durch Treichls Beispiel einmal mehr belegt, und die gesamte Wirtschaftskrise der letzen jahre ist ja ein einziger Beleg dafür.

Andreas Treichl (copyright Die Presse)
Treichl kann man bestenfalls das vorwerfen: daß er die Politik gerne dort hat, wo er sie mal braucht, und ansonsten genau weiß, daß sie inkompetent und gar nicht zuständig ist. Und das zeigt nicht gerade von ethischer Prinzipienstärke. Denn die Erste, die sich zum Ziel gesetzt hat, im gesamten ehemaligen Ostblock größte Bank zu werden, und die die Grundgröße für solche Operationen durch politischen Willen (u. a. Zusammenschluß von Banken, Integration der Zentralsparkasse, etc.) erhalten hat, ist ein Musterbeispiel direkter politischer Einflußnahme, in beiden Richtungen.

Apropos Bankengröße: nicht nur in diesem Fall ein höchst fragliches Vorgehen, denn Banken dürfen, so meine zunehmend sich verfestigende Ansicht, bestimmte Größenordnungen (und die sind sogar recht klein) nicht überschreiten. Und das tun sie auch nicht, wenn die Politik sie nicht (immer wieder) so haben will, nämlich als Staatsfinanzier, dazu und nur dazu braucht ein Staat große Banken.

Schon in meiner Zeit als Unternehmer war mir aus der Erfahrung des Wirtschaftens (noch dazu in einem kapitalstarken Gewerbe wie dem Baugewerbe, oder in der Papierindustrie, in welchen ich u. a. tätig war) bald klar, daß über die Bankenstrukturen in Österreich im Grunde die gesamte Privatwirtschaft - in Österreich traditionell extrem eigenkapitalschwach, also bankenfinanziert - direkt in der Hand des Staates liegt. Denn es sind die Banken, die die Geschäftspolitik regelrecht bestimmen: machen sie Geld knapp und teuer, oder billig und leicht verfügbar, bestimmen sie direkt die Überlegungen der Unternehmer, nimmt die Politik über die Banken (speziell bei schlechter Kapitalausstattung) den Unternehmern die Unternehmensführung aus der Hand.

Bestenfalls die Großindustrie - da gibt es noch Eigenkapital, z. B. über die Aktie - bietet dem Staat, nicht selten mit Macht, die Stirn. Was sich meist dadurch ausdrückt, daß die Politik dort, wo sie meint im Interesse der Wirtschaft zu handeln, lediglich dem Funktionärskapitalismus das Wort redet, Freiheit des Wirtschaftens mit Freiheit der Kapitaltransaktion, Wirtschaften mit Gewinn-Produktions-Mechanismen verwechselt. (Wobei es natürlich kein Wirtschaften ohne Gewinn geben kann - aber Gewinn ist die logische Folge richtigen, guten Wirtschaftens, weil Gewinn Einkommen und lebenserhaltende Investition bedeutet, vereinfacht gesagt, er kann und darf aber nicht Selbstzweck "eingesetzten Spielkapitals" sein. Wobei sich - man lese Ludwig Miese! - die Höhe eines Gewinns in einer freien Wirtschaft auch immer in einem bestimmten gesunden Verhältnis zum eingesetzten Kapital findet.)

Die Wirtschaft eines Landes ist die Außensicht des Innenlebens eines Volkes, nicht mehr. Und das ist ein Organismus, der tendentiell wie jeder Organismus eine Harmonie aller seiner Teile wirkt.

In dieses Phänomen direkt einzugreifen kann gar nicht anders als schwerwiegende Auswirkungen auf das natürliche Gefüge und auf die Selbsterhaltungskraft, auf das Leben in einer staatlichen (etc.) Gemeinschaft haben. Was so weit gehen kann - und so weit sind wir ja in Europa längst, das ist ja im Grunde die Misere sebst! - daß eine Wirtschaft (und damit das tägliche Leben aller, die am Wirschaften teilnehmen, also alle Einwohner eines Landes) ohne politisches Handeln gar nicht mehr funktionieren KANN. Zu sehr hat der Staat alle von sich abhängig gemacht, zu sehr ist Unternehmertum bereits mit Politik verknüpft, zu sehr hat die Verwaltung bereits eine Eigendynamik erreicht, sodaß sie die Bedürfnisse schon schafft, die zu befriedigen sie sich als notwendig erweist.

Das kann sich nur zugunsten großer Konzerne - schon gar, wenn sie politisch Gewicht haben, über Kapital, über Arbeitsplätze, über Steuerleistungen - auswirken, denn es verlangt ein völlig anderes Agieren, als es dem Unternehmer sonst aufgetragen ist. Und es verlangt bestimmte politische Strukturen, Organisationen, deren Einflußnahme, um politische Begehrlichkeiten auszugleichen, sich an der Macht ihrer Mitglieder orientiert. Je kleiner also die Unternehmer, desto mehr Gewicht liegt in der Organisation. Die österreichische Industriellenvereinigung, als Beispiel, ist politisch überhaupt nicht offiziell einer Partei zugehörig. (Überlegt aber, wie nun durchsickerte, eine Partei zu gründen; oder war es nur die Rute im Fenster, um die derzeitige Politik gefügig zu machen?)

Was man "Lobbyismus" nennt ist nichts anderes als solche Einflußnahme seitens der Wirtschaftsunternehmen oder -verbände, die es zwar immer gab - da nannte man es z. B. noch "Korruption" - die aber logische Folge einer Wirtschaft sind, die freies Unternehmertum nur noch als Relikt aus alten Zeiten kennt. Als auch ein Jakob Fugger noch im Lager nach einem Stoff suchte, den ein Kunde verlangte.

Treichl schießt einfach zurück, denn seine Wortmeldung ist ja nicht zufällig: gerade wurde bekannt, daß sich die Vorstände der Bank eine Verdoppelung ihrer Bezüge genehmigt hatten. Das sei, so der Tenor der Öffentlichkeit, unsittlich, in einer Bankenlandschaft, die ohne öffentliche Gelder, ohne den Schweiß der Bürger, nicht überlebensfähig wäre. Und vermutlich ist was Treichl macht nur ein schmutziger Versuch, die Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Aber er benutzt dazu eine Wahrheit, über die handsalbengewöhnte Wirtschaftspolitik normalerweise diskret schweigt. Doch wäre das eine Gelegenheit für die Politik, den befreienden Aspekt dieser Aussage zu verkosten, und endlich einen Rucksack abzuwerfen, den sie nie tragen konnte. Der aber eine Situation heraufbeschworen hat, die von den Betroffenen - den Menschen der regierten Länder - nicht mehr zu bewältigen ist.


*Vielleicht sei hier eine kleine Erklärung angefügt: Banken vergeben Kredite und müssen eine bestimmte Deckung dieser Kredite durch Vermögen, also Eigenkapital, vorweisen. Dieses Geld wird meist bei der Nationalbank "hinterlegt". Diese Mindestreservenpolitik kann also die Geldmenge in bestimmten Randbereichen durch Impulse steuern. Sie steuert aber im Grunde eine Form von ... Betrug. Denn in Wahrheit kann KEINE Bank ihren eigenen Gläubigern - den Sparern - ihr Versprechen, die Spareinlagen herauszugeben, erfüllen, sondern spekuliert damit, daß nicht alle Sparer gleichzeitig kommen, sondern es lediglich zu temperierten Forderungserfüllungen kommt. Schlimmstenfalls - und das hat es ja schon oft in der Geschichte gegeben - werden diese Geldauszahlungen durch "Bankenschluß" und per Gesetz ausgesetzt. Banken erschaffen also über ihre Kredite ganz einfach Geld! Die alte Weisheit, daß Kredite durch Spargelder gedeckt seien, stimmt seit Jahrhunderten nicht mehr. Zu Zeiten des Papiergeldes freilich ist dies nahezu unkontrollierbar geworden. Dazu kommt, daß Banken längst schon eigene Geschäfte betreiben, also mit Geld - dem Geld ihrer Sparer - Zinsen zu erwirtschaften versuchen. Z. B. über ... Staatskredite. Nachdem sich herausstellt, daß diese IMMER zurückgezahlt werden, und sei es: durch EU-Institútionen und -gelder, also durch Steuergelder, wird hier jeder Freiraum grenzenlos. Jetzt vielleicht so sehr wir noch nie, denn VOR Griechenland gab es ja noch eine gewisse Unsicherheit als Bremse. Nun sind die EU-Staaten aber noch tiefer im Sumpf mitgefangen, stehen sie noch mehr unter Druck, das derzeitige System aufrechtzuhalten.

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