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Samstag, 21. Mai 2011

Überraschung als Wesen der Welt

Im Internet, als Suchmedium, erfahren wir nicht, wie die Welt ist. Das Internet kann uns also nicht mit objektiver, also uns übersteigender Welt überraschen! Wir werden stattdessen nur mit dem konfrontiert, was wir im Grunde bereits wissen und annehmen und vor allem annehmen wollen.

Gerade im Zuschnitt, der allerorten folgt, und der immer noch schönfärberisch mit "individuellen Bedürfnissen angepaßt" (etc.) bezeichnet wird - eine der größten und aberwitzigsten, unausrottbaren Narreteien des Marketing, übrigens - passiert genau das, was in anderem Zusammenhang, in der Persönlichkeitsbildung, als "Reflexivität" bezeichnet wird. Wo das beobachtende Ich, das "höhere Ich", sich nur noch auf die Reaktionsbeobachtung konzentriert, die in uns auf Weltbegegnung abläuft. Bis diese geistige Welt aktueller Wirklichkeitsbegegnung völlig fehlt.

So, wie im Verkauf das Gerede von "Anpassung an die Bedürfnisse des Marktes" eine primitive Ausrede für Charaktergestank und Feigheit ist, genau so ist das Internet gerade in seiner Massenfunktion eine gigantische Maschine der Ausredenproduktion für die Flucht vor der Mühe des Lebens.

Der Mensch, der sich nicht auf eine Idee hin transzendiert (was "Mühe" in Form von Spannkraft benötigt, und erst hier kann man von Persönlichkeit sprechen), sondern der von einem "starren" Ich-Konzept ausgeht (das also nicht im Dialog zu sich kommt, vom Du ausgehend) und deshalb meint, in der Selbstbeobachtung und -nachgebigkeit läge der Weg der Erfahrung wie Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, wird eines Tages im völligen Nichts, im leeren Raum dastehen. Was der Mensch ist erfährt er erst in der Selbstüberschreitung, und das bedeutet: einen Schritt ins Unbekannte.

Das Wesen der Welt und Wirklichkeit ist Überraschung. Genau das aber ist im Internet nicht möglich, das eine Form von Daten bietet, die nicht einmal Information sind, weil eine Mitteilung ohne persönlichen Überbringer eigentlich wertlos ist.

Dessen wesentliche Wirkweise damit in doppelter Weise nicht INHALTE (einmal: die es gar nicht generieren und transportieren kann, sondern "über die" es nur berichten kann; zweitens: Information trägt das Gepräge des Überbringermediums, und ein solches fehlt fast völlig im Internet an sich) sind, sondern die Art, Inhalte zu transportieren. Nur wenn es gelingt, die Codes auf dieser (phänomenologischen) Ebene zu entziffern, werden wir es begriffen haben. Bis dahin haben wir es mit einem gewaltigen Aberglauben, eine riesigen Blase zu tun, die umso mehr fanatisch verteidigt werden wird, als man die Leere unter dieser Blase spürt.



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