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Dienstag, 17. Mai 2011

Zwei Lebenswirklichkeiten

Es drückt nur aus, was sich längst abzeichnet: eine tiefe Spaltung der Gesellschaft in Gewinner, und Verlierer. Und manch einer wagt es - der Verfasser dieser Zeilen natürlich nicht - die Gewinner mit den Profiteuren der gigantischen Geldmaschinerie gleichzusetzen, deren entscheidendes Kriterium der Selbsterhalt des derzeitigen Systems ist. Dem sie alles verdanken.

Ihnen ist das gewidmet, womit bislang die Inflation gemessen wurde, der sogenannte "Warenkorb". Er hat sich aus jenen Waren zusammengesetzt, für die der durchschnittliche Bürger angeblich sein Einkommen verwendet. Diese Warenzusammenstellung hat sich also gehörig gewandelt. Vor allem ist der Anteil an Lebensmitteln (und auch hier: eher hochwertig) deutlich gesunken, dafür jener für Fernreisen oder Computerschnickschnack (Pardon: Unterhaltungselektronik) deutlich gestiegen, samt jenen Einkommensbestandteilen, die für Investitionsformen verwandt wurden, die man bis zur Finanzkrise dieser Jahre noch frech als "Spar- und Vorsorgeformen" bezeichnet hat. Diese Werte ergeben dann die offiziellen Inflationszahlen.

Vor einiger Zeit hat man nun entdeckt, daß dieser erste Warenkorb aber nicht jene Realität wiedergibt, in der ein immer größerer Teil (manche meinen: die überwiegende Mehrheit) der Bevölkerung leben muß. Seither führt man eine (inoffizielle) Parallelrechnung. Und sie führt zu bemerkenswerte Ergebnissen: zwar sind die absoluten Zahlen dieser Warenkörbe deutlich bescheidener, aber wer mit 700 Euro im Monat auszukommen hat, denkt nicht über den geplanten Panama-Trip nach, sondern für ihn sind die Hofer/Aldi-Lakritze bereits Luxus pur. Seine Warenkäufe sind also völlig anders strukturiert. Und jemandem, der binnen eines Monats für ein Viertelkilo Butter 1,35 Euro anstatt 0,99 Euro bezahlt, und das bei etlichen übrigen Grundnahrungsmitteln vielleicht gleichermaßen, zu erklären, die Inflation im selben Zeitraum wäre nur um 2,9 Prozent gestiegen, ist Zynismus.

So sind auch die Zahlen im April zweigespalten: die "offizielle" Inflation beträgt gerade 3,3 Prozent, und ist damit mehr gestiegen, als den Währungsmanipulateuren lieb ist.  Für den zweiten Warenkorb, den "Mikrowarenkorb", der den "wöchentlichen Einkauf" bewertet (und damit im Grunde jene Produkte ausklammert, die sich diese zweite Bevölkerungsschichte sowieso nie anschafft) aber muß die Zahl mit 6,7 Prozent festgestellt werden. (Hier der Bericht in der Kleinen Zeitung, als einer von vielen.)

Und das trifft jemanden, dessen monatliche Gelddisposition ohnehin nur die Produkte dieses "Miniwarenkorbs" umfaßt, deutlich schwerer, weil es ein ganz anderes absolutes Gewicht hat, als jene der ersteren Gruppe. Und natürlich hat das mit entsprechenden umfassendere Lebenswelten zu tun - der Warenkorb der Grundnahrungsmittel hat wenig Relevanz auf die Preisermittlung von Fluggesellschaften. Wobei man dazusagen muß, daß auch diese Menschengruppe von eben diesen Ausgaben noch einmal rund 25 Prozent Steuern und Abgaben zu leisten hat! (Man denke nur an Mehrwertsteuer, Verbrauchssteuern jeder Art, Alkoholsteuern, Abgaben, Gebühren, etc. etc.) Ohne noch Einkommenssteuern berücksichtigt zu haben, die betreffen diese Menschengruppe nur marginal.

Nur: das kann ja gar nicht ander sein. Inflation - eine stille, destabilisierende, weil gegen langfristige Substanz gerichtete Form der Entwertung und vor allem der Umverteilung - ist eine Konstante der modernen Gesellschaften geworden. Denn sie ist die unausweichliche Schwester jeder Geldmengenvermehrung - und diese ist das hauptsächliche Mittel der Politik.

Weil die realen Preise sich immer - es ist nur eine Frage der Zeit und der Verbreitungsgeschwindigkeit der zusätzlichen Geldeinschüssen in Volkswirtschaften - wieder auf reale Warenwert-Verhältnisse einpendeln. Denn anders als die Interventionisten meist glauben, hat Geld und Ware keinen, wirklich keinen "absoluten" Bezug. Sondern die Preisfindung ist eine höchst "flüssige" Angelegenheit des Gegenüberstehens subjektiver und höchst relativer Wertbemessungen. Oder, wie Mieses oder Georg Simmel schön zeigen:

Die Gesamtmenge an Geld (das ja gleichfalls als Ware, als praktischere Tauschware - oder dere Repräsentanz - nämlich, zu verstehen ist) und die Gesamtmenge Waren befinden sich selbst bei noch so großen Gleichgewichtsstörungen immer wieder im annähernd selben Verhältnis zueinander.

Und damit wird die wirkliche Aussage dieser Inflationszahlen deutlich: die Struktur der heutigen Gesellschaften ist eine Struktur der "Gewinner", die umso vehementer an deren Fortbestand interessiert sind - sie haben zu verlieren. Während die einfachen Menschen, um es so zu sagen, die Verlierer sind. Denen mit gewaltigem Zynismus jener Staat, den die Gewinner (die "Funktionselite") sich als Instrument ihrer "Lebensgestaltung" halten, als großer Verteiler von Wohltaten, im Sozialstaat, vorgestellt wird.

Ein Staat, dessen Hauptaugenmerk sich auf eine Infrastruktur und eine Verwaltungsnotwendigkeit richtet, die für die untere Schichte irrelevant, ja ihnen zur Belastung ist. Weil sich Lebenswirklichkeiten herausgebildet haben, die miteinander kaum noch zu tun haben. Die aber nicht unabängig voneinander bestehen, sondern wo sich die Kosten-Nutzen-Verhältnisse nicht ohne Grund völlig verwischt haben. Daß das so bleibt liegt im Interesse der Oligarchie, die sich längst gebildet hat, und die nur eines möchte: es möge sich nichts für sie verändern ...

Wer aber diese beiden Warenkörbe und Lebenswirklichkeiten vergleicht, wer dazu berücksichtigt, woraus Inflation entsteht, wer berücksichtigt wer am meisten unter dieser leidet - wer diese Punkte also zusammenzählt, der könnte zu einer wirklich überraschenden Feststellung kommen:

Daß nämlich der Sozialstaat, der staatliche Interventionismus, allen anderen dient als jenen, deretwegen zu bestehen er ausgegeben wird. Er dient NICHT den Kleinen und Armen. Diese schafft er sogar erst, indem er sie nicht einmal als überwindenswerten Zustand bezeichnet, sondern als Zustand in dem es sich - mit ein paar staatlichen Beihilfen - schon aushalten läßt. Womit sogar das Beste an sozialer Unterschiedlichkeit - Dynamik aus persönlichem Antrieb - erschlafft.
Er schafft sich aber vor allem eine Schichte von Profiteuren. Aus Leuten, die endlich auch aus Nicht-Leistungsgründen - sondern aus "moralischer Überlegenheit" - ans Ruder kommen. Der Sozialstaat wie er derzeit überall zu finden ist bringt keine Verteilung von "Reich zu Arm"! Diese beiden Warenkörbe beweisen es eindringlich, vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise, die eine Geldmengenkrise ist. Das einzige, worauf der Sozialstaat wirklich Einfluß nimmt ist die Verteilung der Plätze am Futtertrog, die Neuverteilung der Profiteure.

Ein einziger Bluff eines Revolutionskommitees eines Staates in Dauerrevolution, die nur deshalb nicht immer leicht erkennbar wird, weil sich die Stadien der Revolte ineinander verschieben, verschleiert werden. Einer Revolution, die aber nie zu einem Ende kommen wird, weil sie sich gegen Sein und  Vernunft selbst richtet.




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