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Mittwoch, 22. Juni 2011

Alle Hände aufgehalten

Griechenland habe etwas gründlich mißverstanden: es habe die EU als Spender reicher Gaben gesehen, wo es nur gelte, eifrig die Hand aufzuhalten, ohne etwas dafür zu tun. Die Politiker hätten alle Spendierhähne aufgedreht, ohne aber etwas fürs Land und seine Entwicklung zu investieren, wie es vorgesehen gewesen wäre. Das Land wird nun wohl zu einer Kolonie der EU werden, seiner (realen) Selbstbestimmung verlustig gehen, anders wird es aus dem Dilemma keinen Ausweg geben.

Wer das gesagt hat? Nein, kein Kapitalist und keine "rechte Sau", die den verzweifelt protestierenden Gewerkschaftsgriechen - sie verlangen, daß das Geld der Regierung, das nicht mehr da ist, weiter fließe! SEHR sinnvoll! sie meinen, daß die EU selber schuld sei am Dilemma, denn sie hat Griechenland nicht nur das Geld geliehen, sondern die EU hat auch alle die Importe geliefert, die Griechenland ruiniert haben! UND DARAN VERDIENT! - den Marsch blasen will, sondern der griechische katholische Erzbischof von Athen, Nicolas Foscolos, Oberhaupt der verschwindend kleinen katholischen Minderheit im griechisch-orthodoxen Griechenland.

Zählt das etwas, das da in kath.net zu lesen stand? Katholiken, in Athen? Ich meine: Gerade ein halbes Prozent der Bevölkerung der Hellenen sind katholisch!


Ja, wahrscheinlich genau deshalb hat das Relevanz. Eine Außenseiterrolle ist gerade für eine scharfe Sicht oft, wenn nicht immer die einzige Möglichkeit - als Blick von oben, von außen, ohne zu sehen, was man sehen will. Wer mitschwimmt, dem fällt gar nicht auf, daß sich das bergab fließende Wasser in Fluß überhaupt bewegt, dem bleibt jeder Bezugspunkt gleich, und der schaut auch aus ganz anderen Gründen auf die Ufer, die es ihm noch verraten könnten. als um die umfassendere Wahrheit zu sehen.

Auch in der FAZ war unlängst ein berührender Kommentar eines Griechen, der sich an die Brust schlug und seine Landsleute aufforderte, sich mit dem Unabänderlichen abzufinden. Immerhin - so der Grieche! - hätten doch alle nur kassiert, wo es möglich gewesen wäre. Das habe doch nicht gut gehen können?

Waren es also gar nicht die Spekulanten, oder die Reichen? Na, das ist eben in Österreich anders. Da WAREN es die Reichen und die Millionäre, die an jeder Ecke stehen und die Börsen manipulieren, damit die armen Frühpensionisten und Invalidenrentner (Rekord in Europa - wir sind ein Land der Krüppel!) im Land ihre letzten Spargroschen verlieren.

Moment, jetzt kommen mir aber die Länder durcheinander ... oder sprach der Grieche von Österreich, und war es gar kein Grieche? Nein. Griechenland, sagte der. Oder?

Ich muß die Artikel noch einmal raussuchen, wenn ich Zeit hab.

Einstweilen zitiere ich wieder einmal die FAZ, die in einem Artikel schreibt, daß die Griechen sich im Grunde weiterhin bequem zurücklehnen können, und vermutlich bei den Protesten viel Erfolg haben werden, damit das Sparen nicht ganz so wehe tut, oder den Griechen erspart bleiben kann - denn egal was passiert, die EU hat sich auf eine Linie begeben, wo sie gar nicht mehr zurück will, und bald sowieso nicht mehr kann. Die Griechen sind ja nicht dumm: sie wissen, daß es (auch) UNSER Geld ist, das bei einem Staatsbankrott verloren wird. Nicht NACH der Hilfe, nein: JETZT.

Schon wird tüchtig vorgebaut, auch wenn die Gewerkschaften nicht so viele Leute auf die Straße bringen, wie sie gerne hätten - 20.000 bei einer durchschnittlichen Demonstration sind ja doch ein bißchen wenig? Egal, die Dolchstoßlegenden und vorauseilenden Rechtfertigungen sind längst der Hellenen täglich Brot, sodaß die Zweifel immer größer werden:  WER hat da eigentlich Schulden gemacht? WER hat das Geld einfach verbraten? WER hat es sich gutgehen lassen, ohne nach morgen zu fragen, weil die Zeche ohnehin von anderen bezahlt wird? Wußten Sie, daß seit dem EU-Beitritt nach Griechenland 100 Milliarden Euro "Strukturförderung" geflossen sind? (Das ist mehr als ein Drittel des griechischen BIP!) Daß das erste Rettungspaket vor einem Jahr weitere 110 Milliarden fließen ließ? Daß es jetzt um weitere 100 Milliarden kurzfristig, langfristig um noch einmal so viel gehen wird? Daß wir mittlerweile also schon das BIP eines ganzen griechischen Sonnen-Jahres in der Ägäis versenkt haben? Ach so, zwangsweise. Deshalb reden sie wohl so scharf, die Gewerkschafter, bei den Reden vor den Demonstranten:

Die Geldgeber Griechenlands hätten, so schallt es von Rednertribünen, so heißt es auf Plakaten, das stolze Hellas versklavt und die Bevölkerung unter das Schuldenjoch gezwungen. Auch ein Kommentator der linksgerichteten Athener Zeitung „Eleftherotypia“ sieht es so: Die Forderung der europäischen Finanzminister, vor Auszahlung der zwölf Milliarden Euro umfassenden fünften Tranche des Rettungspakets müsse das griechische Parlament weitere Reformen beschließen, bezeichnete das Blatt als „Erpressung“ Griechenlands durch die EU und den IWF.

Was davon stimmt? Nun, die EU handelt gewiß nicht aus christlicher Nächstenliebe, sie handelt im wesentlichen um ihre eigene Haut zu retten. Dazu muß Griechenland seine Bonität wiedergewinnen, und dazu muß es ein positives Budget auf die Füße stellen. Und dazu muß gespart werden, sonst wird jeder Cent umsonst sein, und der ganze Euro wird weiter geschwächt, mit einem Dauerpatienten in der Intensivstation. (Und warten wir mal, was da noch kommt, der Kandidaten gibt es ja noch einige, man schweigt nur derzeit ein wenig dazu.) Wenn Griechenland aber, so die Leier der Regierenden Europas, als ein Land der Eurozone pleite geht, ist der Schaden für alle Länder enorm. Vermutlich. Wie hoch? Weiß keiner. So wie sowieso keiner weiß, wie was hier zu rechnen, wie welche Risiken noch zu bewerten sind. Die meisten Einschätzungen sind nicht nur widersprüchlich, sondern gleichen dem berühmten Kaffeesudlesen der Wiener Hinterhofdame. Aber das ist ein anderes Kapitel.


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