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Montag, 13. Juni 2011

Und ob er arm wäre

Es gibt kein Argument, das die Arbeit als schöpferischen Selbstvollzug des Menschen überhaupt bezahlbar macht - nicht so, nicht so. Die Forderung nach "gerechtem Lohn" ist also in jedem Fall unsinnig, sie ist sogar kontraproduktiv: denn sie nährt die Illusion, Geld (Ware) und Arbeit stünden in einem auslotbaren Verhältnis. Der sittliche Wert der Arbeit geht aber in dem Maß verloren, als der wirtschaftliche Entgelt zum Motiv wird.

Arbeit hat Selbstzweck und ist Ausdruck menschlicher Würde und Größe. Ihr "Lohn" hat mit zählbarem Nutzen nichts zu tun, ja die Reduktion der Arbeit genau darauf - wie sie seit Jahrhunderten sich mehr und mehr zuspitzt - hat den Menschen erst entwürdigt: als wäre sein Wert wirklich bemeßbar! Die Bemessung am wirtschaftlichen Erträgnis hat nur dort ihren Wert, wo sie ein Verhältnis von Stand und Gütern ausdrückt. Denn der sittliche Wert einer Arbeit würde sich sogar an ihrem Gegenteil bemessen: je geringfügiger ein Dienst ist, desto höher sein sittlichender und sittlicher Wert! Daraus läßt sich die Groteske bemessen, daß seit Jahrzehnten von den Gewerkschaften (und mittlerweile im allgemeine Bewußtsein - zu meinen Kindheitszeiten war das übrigens noch anders, der Neid in diesen Ländern ist feststellbar gestiegen!) der Lohn danach gefordert wird, wie hoch der vermeintliche Zugewinn DES ANDEREN durch eines Arbeit ist. Nicht, wie die Arbeit den Arbeiter selbst gewinnen oder verlieren läßt. Selbst der gleichfalls herangezogene Begriff des Wohlstands bemißt sich am Wohlstand der anderen.

Aber im franziskanischen Ideal der Armut wird jede Arbeit (auch die schwere und niedrige Arbeit!) zum Spiel - in der Distanz, in der Gottergebenheit. Es kann deshalb durchaus kein oberstes Ziel sein, Wirtschaft um jeden Preis am leben zu halten. Denn eine Wirtschaft, die die Selbstschlachtung desjenigen verlangt, der zum Futtertrog zu kommen trachtet, ist unsittlich.

Der einzig wirkliche Bezug zum Lohne kann nur der eines menschenwürdigen, und das heißt eigentlich nur: sittlichen Lebens sein, findet sich sohin auf dem franziskanischen Ideal der Armut wieder - die aber keine Reduktion auf "generelles Nichtshaben" ist, die auch kein kommunistisches Ideal der Eigentumslosigkeit ist, denn damit fiele auch die Schöpfungsverantwortung. Sondern im Gegenteil, die jedem in seinem Stand und Aufgabenbereich leben läßt, daß sich nichts ändert, ob er morgen auch nichts mehr besäße. So wird auch Besitz zur schöpferischen Größe, und nicht zum Rechenexempel. Weil menschliche Arbeit prinzipiell unbezahlbar ist, kann sich Warenwert nur aus einer Fülle von sonstwie wertbestimmenden (nur in Bezügen zu einem Kulturgesamt bestehenden) Faktoren verstehen. Nicht aus der Arbeit, die daran getan wurde.

Aber das einzige, wo der Mensch wirklich zum Menschen wird, ist das, wo er spielt. Und er spielt dort, wo er es wirklich ernst nimmt. In sittlich (=kulturell) hochstehenden Zeiten ist deshalb oft nach heutigem Gesichtspunkt "wertvollste" Arbeit niedrigst entlohnt, gerade weil das Hohe allen verfügbar ist. Und diese Arbeit war fast prinzipiell die zeitlich aufwendigste. Der Tauschwert (Preis) einer Ware bemißt sich also niemals nach der Fülle an menschlicher Arbeit. In dem Moment, wo dies gedacht wird, wird Arbeit entwürdigt.

Es ist nie die "Leistung", es ist nur die Ware, die einen Preis hat. Es geht hier um die Freiheit des Arbeiters selbst, der sich sonst einspannen läßt in einen Kosten-Nutzen-Ring, der ihn zum Teil einer Ware macht. Ein Mindesmaß an Nahrung und fahrender Habe, auch für die für die er in Verantwortung steht, sei das, worauf er einzig anheischig ist, formuliert es Leopold Ziegler deshalb, in Anlehnung auf die Mönchsregeln.

Es war gerade diese Zuspitzung des menschlichen Maßes und Lebens auf die Lohnfrage als Frage des Preises für Arbeit, die die Entmenschlichung der Wirtschaft gebracht hat. Sie hat die Existenzfragen in den Gesellschaften entsittlicht, und damit die Schöpferischkeit der Kultur ausgehöhlt, bis sie entschwand. Heute ist fast jeder nur noch Lohnsklave. Ziel von Lohn kann nur die Person des Arbeitenden sein, nicht seine preisgemessene Leistung.

Daraus kann, übrigens - und es sei gesagt, um falsche Rückschlüssen den Weg abzuschneiden - durchaus die Pflicht zu einer "aufwendigen" Lebenshaltung genauso hervorgehen, abhängig vom Stand und seinen Pflichten! Denn eines Menschen Leben ist immer historisch-relativ, eingebunden in das Insgesamt eines Wertgefüges, das sich auch aus Bezügen nährt und formt, und sich deshalb erst in diesen historsichen, relativen Bezügen überhaupt erfüllt.

Die Güter, die Waren sollen und müssen aber ihrem oft genug rein zufälligen Spiel von Wert und Preis ausgeliefert sein. Der Mensch hingegen muß dem entzogen sein. Und das geht nur bei einer Entkoppelung von Preis und Arbeit.

Denn der Sinn menschlicher Geselschaft - und der Mensch ist ein Gesellschaftswesen! - besteht in der Darstellung der geistigen Hierarchien und Bezogenheiten, keineswegs in "Gleichheit" und "Einförmigkeit". Daraus aber kann sich auch die Pflicht ergeben, das "Höhere" zu fördern und in seiner Darstellung zu schmücken. 

Der aber, der spielt, der weiß, daß auch seine Pracht Daseinsjubel ist, den zu erhalten er arm ist - nicht persönliche Leistung.



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