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Freitag, 8. Juli 2011

Die Medien verdrängen das Leben

Im Fernsehen - im Film, im Bildschirm des Internet - hat der Bildgehalt an sich keine Substanz. Er lebt davon, daß er sofort - durch den Primat des Aktuellen - wieder losgelassen wird. Er ist ständig enttäuschte Haltung des Betrachters, der aufhört, dem was er sieht, an sich noch Gehalt beizulegen. Es bleibt also nur "aktuelle Information", während sein Erleben immer wieder auf die Langeweile zurückgeworfen wird. Sein Aggressionspegel also wird steigen, seine Forderung nach mehr und noch mehr im Internet, in den Medien wird immer lauter werden.

Um wirkliche Aufmerksamkeit zu erhalten, muß ein Bild lange stehenbleiben, und seine Wahrnehmung beim Zuschauer die Steigerung von dessen Sinnlichkeit und Verstehen hervorruft. Das kann aber bei einem photographischen Bild gar nie der Fall sein! Denn ein Photo existiert nur "im Betrachter selbst", als Bezug zu einem Bekannten, als Bezug zu einer Realität.

Ein Text auf einem Bildschirm ist also kein Text! Er ist ein flüchtiger Text über einen Text über einen Inhalt der Realität. Was flüchtig in seiner Art ist, ist unweigerlich auch der Beachtung nicht wert. Das Bildschirmbild ist schon aus seiner rein technsichen Natur her die Flüchtigkeit überhaupt! In dem Moment, wo die Stromzufuhr unterbrochen wird, verschwindet das Bild. In dem Moment, wo die Maus scrollt, weitergeklickt wird, ist es weg. DAS sind die Kriterien, die die Qualität und Bedeutung eines Textes (Inhalts) erzählen. Nicht sein nomineller "Inhalt".

Erkenntnis ist eine Frage ganzheitlichen sinnlichen Wahrnemens, und damit hat nur die Ästhetik auch geistige Evidenz, nur die Ästhetik kann also Lebensgewißheit liefern! Es gibt aber keine Ästhetik im Internet selbst, das ist eine Illusion, erzeugter Schein, bloße Behauptung einer Ästhetik, die das Leben, die Wahrnehmung des Menschen vor dem Bildschirm zu verdrängen sucht - und mit Sicherheit verdrängt, weil auch der Bildschirm mit dem Leben vernetzt bleibt, also mit der Apperzeption die nur dem Leben selbst gebührt. Die wirkliche Ästhetik ist aber das Internet selbst - nicht das, was es als Inhalt bietet. Medien (auch das Fernsehen, natürlich) sind - weil "direkt" - die Verneinung jeder Ästhetik, und damit des lebendigen Zugangs zur Wahrheit, zum Logos.

Wo nichts da ist, das bleibt, also nichts Gewicht hat - dort aber ist nur noch der Tod, die Selbstverneinung des Lebens.

Die Medien, das Internet als Medium, entsprechen also lediglich einer gegenwärtigen Welt, aus der sie mit zwingender Logik hervorgegangen sind. Hier ist also nicht die Rede von "subjektivem Umgang", den der einzelne vermeiden könnte, wenn er sich so oder so verhielte - hier beschreiben sich metapsychologische, phänomenologische Vorgänge. Weil aber das Fernsehen, die Medien an sich Aktualität darstellen, nur damit arbeiten, entwertet sich das Aktuelle zur Bedeutungslosigkeit. (Heidegger nennt es das "Interessante" - das alle übrigen Kriterien ersetzt und unnötig macht.) Das Zappen erfüllt also genau das, was dem Wesen des Fernsehens angemessen ist - und der Zuschauer vollzieht es folgerichtig: Das Aktuelle ist das Inkohärente, Bedeutungslose, Flüchtige, es MUSZ es sein! Je absurder das Fernsehen ist, desto mehr erfüllt es seine Aufgabe, schreibt Michel Henry dazu sogar.

"Die Medien verderben alles, was mit ihnen in Berührung kommt."  Selbst, wenn ihnen etwas Wichtiges unterkommen sollte, wertvolle Personen oder Werke - sie versetzen es augenblicklich durch ihre Unterwerfung unter die Aktualität sogleich ins Inkonsistente. Durch ihre Weise nämlich ist das Dasein zur Lebenssteigerung nicht möglich. Also gibt es eine Zensur, die dem Medium eigen ist: sie schließen alles Kulturelle aus ihrer Natur heraus aus, und bilden beim Publikum eine neue Art zu sein aus: das mediale Dasein, die mediale Existenz, die nichts mehr tut im Konsumieren - die nur noch dasitzt und dem Leben entflieht, die nicht einmal mehr "schaut", sondern schaut ohne zu sehen.

Was soweit geht, daß der Mensch nur noch durch die Mittel der Medien existiert. Wo es nicht mehr darum geht, selbst zu leben, sondern durch das eines anderen, der erzählt, sich erregt, sich entblößt, ja (im Film) sogar den Liebesakt anstatt des Zuschauers vollzieht.

Dadurch wird die Kraft im Zuschauer auf ihr rohestes Niveau fallen, weil ihr die kulturelle Bindung durch die Form fehlt. Kraft wird zur Gewalt, Liebe zur Erotik, Erotik zur Pornographie - jeweils als imaginäre Ablenkungsmittel.

Und damit ist auch klar, daß die Medien diese ihre Vollendung und Wahrheit in der totalen Aktualität finden: Im Life-Bericht, im Twittern, im Facebook-Status-Update ... noch weiter vertieft durch die Möglichkeit der Teilnehmer, die Überaktualität durch eigenes Eingreifen herzustellen, indem das Aktuelle in sich noch einmal aktuell werden muß.

Wer sich auf die Medien-Existenz einläßt, wird deshalb alles abbauen, was er je an kulturellen Eigenschaften erworben hatte. Er wird nicht mehr begreifen, daß kultureller Zugewinn, als Selbststeigerung des Lebens, Frucht von Mühe und Anstrengung, daß Mächtigkeit eine Folge des schöpferischen Lebens ist. Er wird sein Leben auf die Manipulation der Medien beschränken ...


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