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Samstag, 23. Juli 2011

Eine Bewährungsstunde der deutschen Industrie - I

Das ehemals deutsche Paradeunternehmen Siemens, schreibt Inga Sundstrom in ihrer entzückenden Romantrilogie "Rüdiger, komm tanz es mir" (Knotenbeek-Verlag, Hamburg), war immer schon bekannt für seine weitblickende Unternehmenspolitik. Immerhin hat der Gründer sein Unternehmen mit der Erfindung des "Zeigertelegraphen" die Kommunikationstechnik revolutioniert. Und diesem Stammzweig ist das Unternehmen irgendwie treugeblieben - die Public Relations, die Kommunikation mit der Öffenlichkeit, ist nach wie vor eines der entscheidenden Unternehmensinstrumente.

Oder sollen wir sagen: die Kommunikation DER Öffentlichkeit? Das erweitert das Feld entscheidend. Und illustriert, was vor 30 Jahren passierte:

Damals hatte der Konzern frohgemut auf die Errichtung von Atomkraftwerken gesetzt. Das schien die Zukunft zu sein, und die Politik versicherte auch die Unternehmensvorstände, daß das auf unabsehbare Zeit so bleiben würde. Aber man hatte nicht mit der Penetranz der Öko-Bewegung gerechnet.

Und während die Politik abwiegelte, war Siemens viel weitblickender: in einer denkwürdigen Konferenz am 4. März 1978 wurde vom von vielen Seiten als genial eingestuften, gerade zum Unternehmen gestoßenen Fachmann für die damals keineswegs mehr in den Kinderschuhen steckende Public Relaions-Abteilung, Erich Niemann, aufgezeigt, daß sich die gesellschaftspolitischen Strömungen getreu dem Riemann'schen Gesetz der Revolutionsbewegungen moralisch-ethisch den Grünbewegungen angleichen würden.

Was heißt das, grummelte Aarie van Leidingen, damaliger Chef der Produktentwicklung?
Das heißt, erläuterte Niemann, daß wir es in zehn, zwanzig Jahren mit massiven Ökobewegungen zu tun haben werden. Wenn wir nicht vorsorgen, werden wir mit unseren Produkten aus Deutschland verschwunden sein.
Das heißt, setzte van Leidingen fort, reden Sie doch Klartext: das heißt,daß wir mit der Atomkraft einpacken können, wie das mein seliger Vater formuliert hätte.
Naja, nicht ganz. Niemann kratzte die Nase. Nicht ganz. Wir müssen sie nur anders verpacken, anders verkaufen.
Auf sein Handzeichen hin erhob sich ein bislang unbeachtet gebliebener rund 40 Jahre alter Mann mit schütterem Haar von seinem Stuhl, auf dem er abseits der Konferenz nahe der Türe bescheiden gewartet hatte.

Das ist Herr Diplomingenieur Wassmann, erklärte Niemann. Er wird ihnen etwas erklären, das Sie hoffentlich wieder beruhigen wird: Wir nennen es in unserer Abteilung die Niemann'sche Doppelzangentaktik. Er schmunzelte, sein Gesicht war puterrot angelaufen. Bitte!

Wassmann räusperte sich verlegen, wagte kaum den Blick zu erheben. Schließlich begann er zu reden.

Morgen 2. Teil) Die Niemann'sche Doppelzangenstrategie



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