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Sonntag, 31. Juli 2011

Von Engeln entführt

Wie lange eine der wertvollsten mittelalterlichen Handschriftenkompilierung aus dem 12. Jhd., der Codex Calixtinus, nicht mehr in seinem Schrein lag, weiß man noch nicht. Einige Tage? Wochen? Er war nicht abgegangen, und die drei Schlüssel zu dem Panzerschrank waren recht nachlässig verwahrt worden. Eine Versicherung war zu teuer, und die Aufzeichnungen in fünf Büchern, die Leben und Wirken des Apostels Jakobus sowie Geschichten um Karl den Großen beschrieben, haben zu wenig Glanz, um so unter dem Auge der Öffentlichkeit zu stehen.

Am 5. Juli war einfach im Kloster in Santiago de Compostella aufgefallen, daß sie weg waren. Ob gestohlen, geraubt, ausgeliehen - niemand weiß es. Auf die Frage an den Abt, ob er Verdächtige habe, antwortete der: das sei Sünde, solche Verdächtigungen zu äußern.

Die Polizei tappt im Dunkeln. Die Überwachungsvideos geben keinerlei Anhaltspunkte, niemand hat etwas bemerkt oder gesehen, man ist nicht einmal sicher, ob es überhaupt Raub war. Vielleicht hat ihn ja nur einer der grosszügigen Schlüsselbesitzer einmal mit nach Hause genommen, um ihn einem guten Freund zu zeigen, und muss jetzt abwarten, bis sich die Aufregung gelegt hat und eine Rückgabe unbemerkt möglich wird. Oder vielleicht hat der heilige Jacobus selbst die Ikone der Buchkunst in Sicherheit gebracht, weil er es nicht mehr mit ansehen konnte, wie schlampig man damit umging, schreibt die NZZ.


Aus dem Codex Callixtinus - Benedicamus Domino, Deo gratias


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