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Freitag, 12. August 2011

Zerstörung der Selbstregulation

Man sagt fälschlich von der Kiefer, daß sie sandige, nährstoffarme Böden LIEBE. Aber sie findet sich damit ab, und wächst auch - wenn auch langsamer - auf schwierigen, armen Böden. Bestenfalls noch kretinierte Buchen oder Eichen können sich in kleinem Rahmen halten. Aufgrund ihrer Genügsamkeit, ihrer Lichteigenschaften, ihrer flexiblen Wurzelbildung aber gilt die Kiefer als "waldbildend", egal unter welchen Bedingungen. Sie zieht die übrigen Hölzer nach, die unter dem Schutz und Schatten der ersten Kiefernkronen sich überhaupt erst gegen die Grasschichte durchsetzen können. Sie ist deshalb ein sozial äußerst verträglicher, nützlicher Baum, der auch aufgrund seiner Schnellwüchsigkeit hervorragend geeignet ist, wertvollere Hölzer regelrecht nachzuziehen.

Greift nun der Mensch ein, indem er die Böden düngt und bewässert, um die wertvolleren Hölzer zu forcieren, so passiert Folgendes: Nicht die Kiefer wächst nun einfach reicher und rascher, sondern weit mehr profitieren ihre Mitbäume, die zu Konkurrenten werden - jene mit höherem Nährstoffbedarf und -verzehr. Sie wachsen mit einem male so erfolgreich, daß sie schließlich die Kiefer (mit ihrem langsameren Stoffwechsel) zu verdrängen beginnen, bis die verschwunden ist. Die Kiefer kann bei künstlich verbesserten Böden den Konkurrenzkampf mit den meisten anderen Baumarten nicht gewinnen.

Die neuen Baumarten aber bleiben (unter diesen neuen Bedingungen) defizitär. Sie benötigen ständige Nährstoffzufuhr. Die Struktur des Waldes ändert sich - und er verliert seine Selbsterhaltungskraft. Wird die zusätzliche Nahrstoffzufuhr eingestellt, stirbt der gesamte Wald, weil es die genügsame Kieferdecke nicht mehr gibt, unter der sich der übrige Wald einmal schützend bergen und erst damit heranwachsen konnte.

Noch etwas läßt sich sagen: es sind nicht einfach die wärmsten, wasser- und nährstoffreichsten Gebiete, die die Bäume am besten gedeihen lassen. Jede Baumart hat nämlich eine "optimale" Zone, wo sich ihre Eigenart am besten, auch im Zusammenleben mit den übrigen Baumarten, und immer in komplexem Dialog mit der gesamten Umwelt entwickelt. Das ist aber praktisch nie die Zone, die in diversen Einzelbedingungen "am meisten" (Wärme, Wasser etc.) aufweist. Vielmehr sind diese optimalen Zonen in jahrtausendelangen Prozessen entstanden, und jede Änderung erfolgt in kleinsten Schritten, weil sonst der Wald höchstwahrscheinlich überhaupt stirbt: wird ein Faktor verändert, muß sich nämlich das gesamte übrige Gefüge darauf einstellen, und: es verändert sich.

Ich ordne dieser Notiz (aus Morosow's "Lehre vom Wald") die Stichworte "Politik", "Staat" und "Sozialstaat" zu. "Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte" fange ich mir aber nicht an. "Wirtschaftskrise'" ist ohnehin obligatorisch, denn dieses Beispiel macht deutlich, wie staatliche Intervention (meist zugunsten eines Parameters) auf eine Volkswirtschaft (=Wald) nicht einfach "fördernd" oder "hemmend" wirkt, sondern "verändernd", sich selbst entfremdend: sie macht abhängig und unfähig zur Selbstregulation, und sie verändert die Zusammensetzung der "Arten". Der Wald wird zu einem anderen.



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