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Montag, 10. September 2012

Außenpolitische Perspektiven - I

Es wird heute oft so getan, als sei staatliche Außenpolitik ein notwendiges Übel, ein bloße Regelung von Abläufen ihr Inhalt. Dabei wird völlig übersehen, daß die Identität von Bürgern bei ihrer Stellung zu den Nachbarn, zum Rest der Welt, beginnt. Hier ist der äußerste Kreis des bis ins Innerste laufenden Menschen. Schwache Außenpolitik, schreibt Wilhelm von Humboldt einmal in einer seiner frappierend aktuellen Schriften über die Zukunft Deutschlands, bringt schwache Identität, schwache Identität bringt schwache Lebenswirklichung und damit Kulturverfall.

Und es ist eine schwache Außenpolitik, die die Gefahr von unrechtmäßigen Kriegen - als Identitätsausbrüchen - steigen läßt. Denn wenn man auch heute ständig davon spricht, Kriege vermeiden zu wollen, Frieden zu suchen, so geht es längst nur noch darum, das Gesicht der Kriege zu verhüllen, sie zu maskieren, als Frieden zu schaffen oder zu bewahren.

Diesen Weg aber haben viele Staaten, darunter Österreich, seit Jahrzehnten konsequent beschritten. Ohne jede Vision, ohne jeden Willen, den Ort, an dem man lebt, zu gestalten, war die Folge des Autismus ein willenloses Aufgehen in der EU, wurde Außenpolitik zum bloßen Vollzug technischer Ablaufoptimierungen im Dienste der Geldproduktion.

Nur wenige Politiker hatten das erkannt, noch weniger hatten überhaupt Visionen, wie schöpferische Außenpolitik aussehen könnte. In Österreich war es Erhard Busek, der mit seinem "Projekt Mitteleuropa" die Position vertrat, daß Europa ungefähr gleich große und gleich mächtige geographische Räume brauche. Nur so könne verhindert werden, daß der Zusammenschluß im Großen zwangsläufig zur Spielwiese der Mächtigen, auf lange Frist DES Mächtigsten werde.

Genau das haben wir heute, auf genau diesem Weg befinden wir uns: Viele kleine Staaten sind gezwungen, die Politik des Ganzen, die sich zwangsläufig an den Großen orientiert, mitzutragen. Und wie sich im Fall Griechenlands gezeigt hat, sind die Unterschiede zu groß, um das durchzustehen. Während das Ganze unweigerlich auf einen Punkt zuläuft, wo nicht alle auf das "höchste Niveau" gelangen, sondern - und wer Gruppenprozesse kennt, wußte das seit je - alle auf das Niveau des Niedrigsten gezogen werden. Nur Realitätsfremden, die ihre Weltsichten an den Schreibtischen verkannter Mathematik konstruieren, sind von der scheinbaren Unlösbarkeit des Griechischen Falls (und in Wahrheit ist das bei anderen Problemkandidaten - siehe Spanien - nicht anders), der ein Faß ohne Boden ist, überrascht.

In sich stabilere größere Gebilde aber, in denen sich Länder ungefähr gleicher, noch mehr aber ergänzender Strukturen finden, würden angepaßte politische Maßnahmen und Wirtschaftsentwicklungen ergeben, weil jeweilige Unterebenen (vom Ganzen einer EU aus gesehen) sich jeweils verhalten, gestalten, reagieren können.

Mikko Pohjola
Zwei traditionelle Ideen springen dabei ins Auge, die eine davon brachte der finnische Schriftsteller Mikko Pohjola in der FAZ ins Schaufenster. Er regt nämlich die Schaffung einer Ostsee-Union an. von Polen über das Baltikum bis zu den Skandinavischen Ländern, darunter eben Finnland, haben ähnliche wirtschaftliche Strukturen, und eine Geschichte, die die Beziehungen zueinander unlösbar geprägt hat. Aber sie haben sogar eine gemeinsame religiöse Geschichte, mit starker protestantischer Betonung.

Die andere findet sich bereits vor 30 Jahren in der Vision Busek's angerissen, und er sei nur herausgegriffen, denn Busek selbst knüpft an der historischen wie geopolitischen Verantwortung Österreichs an, wie sie bestenfalls noch in den Köpfen monarchistischer Kreise zu finden waren. Sie versucht den katastrophalen Irrtum der Siegermächte im 1. Weltkrieg zu korrigieren, die mit der Zerschlagung der Donaumonarchie Österreich-Ungarn ein politisches Vakuum schufen, das Europa bis in die Gegenwart aus dem Gleichgewicht brachte, weil es diesen geographischen Raum zum bloßen Aufmarsch- und Einflußgebiet der Großmächte Westeuropas und Rußlands machte.

Ein engerer Zusammenschluß der Nachfolgeländer der Monarchie aber, dessen führende Rolle freilich kaum noch Österreich innehaben würde (in der derzeitigen Situation wäre wohl die Tschechei folgerichtiger), würde nur wieder stärker zusammenfügen, was ohnehin durch Jahrhunderte, ja Jahrtausende zusammengehörte und zusammengewachsen war. 

Ein Raum, der durch das Auseinanderreißen nach 1918/1945 enorm litt, und an den Folgen bis heute zu leiden hat. Denn die Arbeitsteiligkeit, die sich völlig natürlich gebildet  hatte, war zerstört, nun mußten alle diese Länder selbst nicht angestammte Bereiche selbst aufbauen - Ungarn und die Slowakei eine Industrie, die Tschechen einen Agrarsektor, Österreich von allem ein bißchen. Slowenien ist überhaupt zu schwach, wie sich jetzt definitiv heraustellt (das Land hat bereits um Hilfe angesucht - auch hier also: nur Geld wo hinzuschieben, hat noch nie "Entwicklung" gebracht, sondern deformiert die betreffenden Gefüge so stark und nachhaltig, daß sie ihre Selbsterhaltungsfähigkeit verlieren) um alleine der großen EU gegenüber zu stehen. Dazu sind gewiß auch Kroatien, eventuell die Ukraine und Rumänien zu zählen - alles das Länder, die derzeit schwer um ihre Selbstbehauptung zwischen Rußland und Westeuropa kämpfen. Gemäß dem Gesetz der Selbstähnlichkeit würde dieses Ost-Mitteleuropa eine Welt im Kleinen abbilden, von den Gebirgen, den Ebenen, bis zum Meer.

Weitere solche Großräume, als Sub-Räume Europas sozusagen, bieten sich am Balkan mit der Brücke zu Italien an, sowie im französisch-nordafrikanischen und iberisch-nordafrikanischen Mittelmeerraum. Neben dem deutschen Raum (mit den Benelux-Staaten) und dem durch seinen Commonwealth ohnehin einen Sonderfall bildenden Großbritannien. Auf der andren Seite des Kontinents ist Rußland mit seinen Anrainerstaaten das östliche Gegengewicht, der zweite Lungenflügel (auch aus religiösen Gründen) Europas.

Nicht neue Gremien sollen dabei geschaffen werden, noch eine teure Verwaltungsebene, die alles noch mehr verkompliziert, sondern bei gleichzeitigem Rückzug aus Brüssel wird viel in den Händen der einzelnen Staaten selbst verbleiben. Es braucht kein zusätzliches Parlament, um fünf oder sieben Regierungschefs dieser Staaten an einen Tisch zu bringen, und es genügen bilaterale Verträge, anstatt großsprecherischer eigener Institutionen, wie sie die EU längst und völlig logisch - ALLES Geschaffene beginnt ein Eigenleben zu entwickeln, in allen Organismen beginnen sich mehr und mehr Selbsterhaltungsnotwendigkeiten in die Agenden einzumischen, bis diese überhaupt die Oberhand gewinnen! - herausgebildet hat, bis zum Militär.

Fortsetzung morgen - Monarchie als Ausweg



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