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Mittwoch, 26. September 2012

Zum Drüberstreuen

Einen originellen Gedanken findet man auf WELT-online, er stammt aus der Feder von Henryk Broder:

Wenn Beschneidung einen Eingriff ins Persönlichkeitsrecht der Unversehrtheit darstellt - gilt das auch für das Stechen von Löchern für Ohrringe? 

Ein siebenjähriges Kind hatte sich zum Geburtstag Ohrringe gewünscht, auf beiden Ohren, welchen Wunsch die Eltern umgehend erfüllten - durch Besuch eines Piercing-Studios. Doch war den Eltern die Arbeit des Stechers nicht gut genug, die Höhe der gestochenen Löcher wich um 2 mm ab. Auf Drängen der Eltern wurde das Loch mit Salbe zugeschmiert, und ein neues Loch gestochen. Die erste Wunde entzündete sich aber, woraufhin die Eltern das Studio verklagten.

Der Rat des Richters sah so aus, daß es auch den Eltern Mitschuld gab. Denn das Kind ist nicht entscheidungsfähig. Es kam zu einem Vergleich - das Kind erhielt für "das erlittene Trauma" 70 Euro Schmerzensgeld vom Studio - um die Verfahrenskosten, die ein Urteil nach sich gezogen hätte, so gering wie möglich zu halten. Aber dann hätte womöglich auch die Frage geklärt werden  müssen, ob Eltern ihrem Kind überhaupt Ohrringe stechen lassen DÜRFEN. Ob nicht das Stechen der Löcher ins Ohr bereits einen Straftatbestand darstellt.

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Dafür hat sich der deutsche Ethikrat damit befaßt. Und er tat es in Form zweier Videos, die beide Vorgänge zeigen. Zuschauerinnern seien ohnmächtig geworden, hieß es, und die FAZ schildert den Vorgang. Keiner der Umstehenden - Männer, Frauen, Kinder - hätte gelächelt, schreibt sie. Der Vorgang der Beschneidung selbst dauere 12, 13 Sekunden.

Wir machen die Videos von hier aus nicht zugängig, die angeblich "Youtube-Hits" geworden sind. Akte heiliger Handlungen widersetzen sich per se einer Entfernung der sie verbergenden Vorhänge, unter den Augen des Voyeurs lösen sie sich auf. Das Wesen der Sakralität ist untrennbar mit Blut verbunden - was aufs Blut geht stand und steht unter dem Signum des heiligen Mysteriums. Wer einmal ein Tier geschlachtet hat weiß das, und im Faszinosum der Jagd lebt es nach wie vor. Aber sogar das ganze Mysterium des Christentums hebt von einem Schlachtoper aus an. 

Wer Blut um jeden Preis zu vermeiden sucht schließt sich schon prinzipiell von der Heiligkeit aus. Die Sentimentalität der Gegenwart ist somit tief banal und nihilistisch wie jede Banalität.


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