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Dienstag, 23. Oktober 2012

Die Modernität des Islam

Das Erschütternde an diesem ORF-Bericht über den Islam in Österreich ist, daß die vertretenen Ansichten der Muslime, auch über das Katholische, deckungsgleich mit den geläufigsten Un- und Mißverständnissen über den Katholizismus sind. Insofern ist der Islam tief modern, jede Abwehr greift ins Leere, er WIRD sich in Europa (bzw. auf der Welt) durchsetzen. Einen Großteil der von Muslimen vertretenen Ansichten speziell den Katholizismus betreffend sind ident mit den Ansichten eines Großteils der Bevölkerung. Bezeichnenderweise gerade auch jener, die ihn als "Gefahr" sehen. Sie haben nämlich recht, aber auf eine andere Weise, als sie meinen: er wird ihnen zur Gefahr wegen der Ununterscheidbarkeit zu jenen Haltungen, die sie selbst bereits einnehmen.

Denn er ist aus einem anderen Grund modern, als meist angenommen wird, die Abwehr gegen ihn ist tatsächlich nur Abwehr gegen sich selbst, deshalb nicht dauerhaft: in seinem Manichäismus, in seiner Fragmentiertung der Welt und des menschlichen Daseins, das in seiner Ganzheit nicht (mehr) verstanden wird. Er scheitert deshalb an der Heiligung der Welt, sie bleibt ihm nur voluntaristisch, durch Entleiblichung möglich. Vereinfacht: Leib und Geist sind ihm zwei Paar Schuh. Der Leib ist ihm letztlich wertlos.*

Das Wesen und Mysterium Christi ist aber völlig anderer Art als es eine Lehre je sein kann. Es IST die Inkarnation Gottes. Der katholische glaube steht und fällt mit der persönlichen Begegung mit dem REAL ANWESENDEN Jesus Christus, in dem Gott und Mensch in eins fällt. IN IHM wird der Mensch in das Leben (Gottes) hineingenommen, auf jene Art, die dem Menschen gemäß ist - über das Tor der Sinne. Fällt diese sinnlich präsente Mittlerposition aus, bleibt die Vergöttlichung nur noch dem Menschen selbst anheimgestellt, über seinen Willen, über "Technik", über Moral. Gott ist aber nicht ein "Additivum", dessen Wesen außerhalb der Schöpfung steht, sondern er ist in Jesus Christus dem Ganzen der Welterscheinungen als Anfang und Ende eingefügt, als Kirche, in Kirche.** Qualitativ eine andere Dimension als der abbildhafte Mensch prinzipiell sein  kann, Haupt, von dem aus alles lebt, aber über die sinnlich-gestalthafte Präsenz der Ebene des Menschen anheimgegeben: in seiner Lebendigkeit wird Gott präsent, denn alles Leben kommt von Gott, der das Leben ist.

Insofern kann das Christentum niemals eine "Entscheidungsreligion" sein. Tendenzen, die in diese Richtung auch im Katholizismus gehen***, diesen damit enteigentlichen, stehen auf derselben Stufe wie der Islam. Sind aus der Zeit heraus verständlich - in der Virtualisierung der Welt und des Menschen - aber nichts desto weniger nur eine Facette der Tragödie der Gegenwart. Im Gegensatz zum (landläufigen) Protestantismus, der dieselben metaphysischen Grundzüge trägt (und aus derselben Haltung entstand; selbst seine populären Einwände gegen das Katholische sind über weite Strecken deckungsgleich), hat der Islam aber eine starke Verhaltenszucht, die ihn formal "als Religion" zusammenhält. Dort, wo diese fehlt, wo der Islam also nicht "Islamismus" ist, zerfällt er deshalb genauso wie der Protestantismus. Die Affinität muslimischer Zuwanderer für den Technizismus, die Lebensweise des Westens ist keineswegs zufällig.





*Die Abgefallenheit der Welt als rettungslose Verdammtheit, in einer vom Heil getrennten Logik (ablesbar in rationalistischer Wissenschaft und Technik), die damit keine Bedeutung für das Heil hat, ist ja der Kern des Protestantismus in allen seinen zahllosen Spielarten.

**"Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes." In Jesus Christus ist die ganze Schöpfung mit Gott versöhnt, in sein Leben hineingenommen. Nicht "nur" der Mensch. Der "unheilige Mensch" steht also auch in Konflikt mit der Schöpfung, mit der Natur, was sich im zerstörerischen Handeln der Gegenwart ausdrückt. Weil Erkennen Gnade ist, ein personaler Akt, nicht auftrennbar in "Ratio" und "Gnade", sondern eine einzige Vernunft, läßt der Heilige Geist auch die Welt neu, unvergleichlich tiefer erkennen, als es selbst die beste rationale menschliche Leistung je vermag.

***Im Besonderen artikulieren sie sich in den Erneuerungsbewegungen, vor allem wo sie der "Charismatik" nahestehen (einer protestantischen Erscheinung, was meist schon längst vergessen wird), wo diese Erneuerung nicht "Bestehendes erneuert" (wie z. B. Orden, in der Rückführung auf ihr jeweiliges Charisma, oder schlichtes normales Pfarrleben im Kirchenjahr), sondern in Neugründungen etc. ansetzt.



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