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Dienstag, 30. Oktober 2012

Kunst als persönliches Müssen (I)

Was den Dichter vom Verfasser von Gedichten unterscheidet? Was den Künstler vom "in der Kunst Tätigen", vom Beherrscher eines "Kunstbetriebs"? Was (sogar) den schöpferischen Tischler oder Maurer oder ... vom handwerkenden Arbeiter?

Dem einen IST das was er tut, sein Medium, in dem er erst überhaupt zu sich kommt, zur Persöniichkeit wird. Das in dieser Zeit Verfertigte erinnert ihn dann an sein wahres Ich, dem er eigentlich fremd gegenübersteht, in dem er sich selbst findet. Weshalb jeder Künstler in Wahrheit nur immer an einem und demselben Werk arbeitet, das er in "seinen Werken" als je neuen Ansatz zu finden sucht.

Dem anderen ist sein Tun Instrument, um seine in der Welt bzw. nicht im Materialen der Kunst selbst verankerte Persönlichkeit auszugestalten, zu schmücken, einen Zweck zu erreichen.

Der Dichter IST deshalb Sprachhervorbringer, sie ist ihm mehr als Mittel, sie ist ihm in ihren Entstehungwurzeln Lebensboden und -element. Ja noch mehr: er ist er selbst nur in dem Augenblick, wo er dichtet. Alles andere, auch was er sonst schreibt, ist epigrammatisch, wie Heimito v. Doderer richtig geschrieben hat, erzählt nur von seinem Weg zur dichterischen Sprache. Taucht wie der Blauwal aus den Tiefen der Meere auf, um Kraft zu finden, wieder abzutauchen. Um Zeugnis zu geben von seiner Existenz, seiner Entwicklung - so er überhaupt will. Damit, in seinem Werk aber allen den Ursprung zu weisen, aus dem sie selbst letztlich leben, und aus dem heraus ihr Leben schöpferisch wird. An dem Platz, an dem sie stehen. Denn er ist getaucht, er weiß vom Grund.

Und erzählt in seinem Sosein von diesem Boden der Welt, auf dem alle stehen, den aber nur er kennt, weil ihn nie verläßt. Und wie er selbst gebaut ist, erzählt von den Bedingungen des Hinabtauchens. Und was er getan hat und nun sichtbar wird - denn alles Werk erzählt von seinem Hervorbringer - stellt den Grund dar, zu dem er getaucht ist. Auf dem letztlich alle stehen. Aber sie können nicht hinabtauchen, wie er. Sie können aus ihm nur als Analogon auf sich schließen. Und aus ihm ihre eigenen Getragenheiten erkennen, aus seinen Emporbringungen, seinen Verlassenschaften, den Boden der Welt im Symbol sehen, und damit sich selbst erkennen, um neu in die Welt hinein aufzubrechen. Während der Wal längst wieder abgetaucht ist, die Luft von oben in der Tiefe zu sich selbst aufbricht und verwandelt.



2. Teil morgen: Geburt nur in Schmerzen





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