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Dienstag, 27. November 2012

Der bessere Propagandist

M & M - Merkel und Monti
Es ist bemerkenswert, was die Welt da über das erste Jahr Italiens unter Mario Monti als Vorsitzenden einer Art Notregierung schreibt, die Silvio Berlusconi abgelöst hat. Um endlich, endlich Italien wieder auf die Schienen einer seriösen Sachpolitik zu stellen. So war der Mann angetreten, unter starker ausländischer Beihilfe, ja Druck, um das Land durch reine Sachlichkeit, fern jeder "Politik", aus dem drohenden Desaster zu steuern. An Vorschußlorbeeren hat es nicht gemangelt. Der Mann sei ein wirklicher Fachmann, so hieß es.

Werden aber Italiener befragt, so loben sie an Monti vor allem, daß er das Image des Landes, das unter Berlusconi bis ins Lächerliche verzerrt worden sei, aufpoliert habe. Monti wird allerorten geniale PR-Fähigkeit zugeschrieben.

Aber seine "sachliche" Politik? Alles habe er angepackt, alles, was sonst noch nie angepackt worden wäre, zumindest verheißen das die Überschriften in seinen Presseunterlagen. Aber wie? Es stellt sich nun heraus, daß Monti zwar zahlreiche Steuern und Abgaben erhöht, auch Schlupflöcher geschlossen, aber so gut wie keine Kosten gesenkt habe. Wirkliche Reformen also, die auch weh täten, finden nach wie vor nicht statt. Die Verwaltung ist, was sie ist, die Schulden blieben, wo sie waren. Sein jüngst vorgestelltes "Sparpaket" wird von vielen als völlig nutzlos bezeichnet, Staatsausgaben werden nirgendwo gesenkt. Die Wettbewerbsfähigkeit Italiens sollte gehoben werden - tatsächlich fiel sie 2012 aber weiter.

Die Unternehmerverbände sprechen von "konfiskatorischen Maßnahmen", bei einer Gesamtsteuerbelastung von jetzt schon 68 %. Sie würden an allen Ecken und Enden reglementiert, schreibt die FAZ in einem Bericht. Während der Staat die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten verschleppt, und sei es durch die Durchführung von Steuerfahndungsmaßnahmen: eine Woche bis zwei Monate würden Unternehmen durchleuchtet, währenddessen fast lahmgelegt, und damit regelrecht erpreßt. Die Regierungsbeamten hätten nachweislich vorgegebene "Budgets", die sie aufzufinden hätten. Um Folgen der Rezession aufzufangen, wurden Kündigungsrechte der Arbeitgeber einfach eingeschränkt, sodaß jede Kündigung mit dem Arbeitsamt abgesprochen werden  muß. Sechs Monate vor der nächsten Wahl, sei eine Regierung ohne politische Basis wie diese wie gelähmt.

Das Sparpaket, das vor wenigen Wochen vorgestellt und mehrfach geändert wurde, nennt Boeri "nutzlos". Kollegen bezeichnen es als enttäuschend – weil es die Staatsausgaben nicht senkt und die öffentlichen Etats nicht entlastet. Dabei kommt es auf Italien an in Europa. Die größte Volkswirtschaft unter den Krisenländern hat im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt den zweitgrößten Schuldenberg nach Griechenland aufgehäuft.

Nur die "Kreditwürdigkeit" Italiens - sein Image - hat sich verbessert, die Neuverschuldung etwas reduziert. Und wo noch nicht, da weiß Monti schon die Ursache: der Euro war's, die EU, die anderen. Die hätten es nicht geschafft, eine Politik zu betreiben, die glaubwürdig genug wäre, um den Euro stark zu machen. Und so Italien zu helfen, die hohen Zinsen zu senken, denn nach wie vor muß Italien höhere Zinsen bieten, um Kapital ins Land zu ziehen.

Für ihn zählen nicht nur Erfolge in der Sache, sondern auch die Wahrnehmung. Darauf baut der Premierminister seine Politik – höchst erfolgreich bislang. "Er ist ein guter PR-Mann. Vielleicht der beste unter den Regierungschefs", sagt ein EU-Diplomat so bewundernd wie besorgt.

Und dafür hat man die Regierung gewechselt? War es nicht genau das, was man Berlusconi vorwarf? Wer also hätte das gedacht: Berlusconi war ein zu schlechter PR-Agent, deshalb hat man ihn ausgewechselt. Kein schlechter Premierminister. Könnte es sein, daß sich darin abzeichnet, was Politik heute überhaupt noch ist? Eine reine Angelegenheit der Propaganda?




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