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Dienstag, 6. November 2012

Hochzeit mit dem Fürsten

Was in dem Video weiter unten die amerikanische Schauspielerin Lena Dunham ins Netz gestellt hat, drückt eine tiefe Wahrheit aus, die das Wesen des Staates zum Ausdruck bringt*: Der Fürst als Vater des Landes ist auch dessen Begatter. Sein Geist wird vom Schooß des Volkes aufgenommen. Das Fürstentum selbst führt sich ja zurück auf die Patriarchale Struktur der Welt, wo Gott und Vater in einer Linie stehen.

Selbstverständlich ist die Wahl eines Präsidenten mit der Wahl eines Gatten gleichzusetzen, die perfekte Analogie.** Soll doch einer nur nicht den Unsinn der Propaganda glauben - gerade Propagandisten tun das nämlich nicht, sonst wären sie schlechte Propagandisten - demokratische Wahlentscheidungen fielen "rational", "objektiv", ja: sie sollten das überhaupt. Sie werden es nie sein.

Argumente - und das ist betontermaßen nicht mit bedauerndem Unterton gesagt, als Hinweis quasi, ach, wie unreif doch die Menschen seien, im Gegenteil, sie sind viel reifer als angenommen wird - können nur bestärken, untermauern, befestigen. Sie befestigen Entscheidungen, die der schauende Blick aber getroffen hat. Verunsichern sie, hebeln sie aus, so war bereits die Hochzeit des Blicks nicht sicher genug.***

Denn daß das Handeln dem Sein folgt, ist keine akademische Weisheit verstiegener Scholastik, sondern Beschreibung einer Wirklichkeit, die in jeder Wahrnehmung mitvollzogen wird, weil immer mit erkannt ist. Wie gut etwas ist, erschließt sich zuerst aus dem, was es ist, und das wird durch sein Darstellen, sinnlich erkannt. Der Ineinsfall der Wortbedeutung von Erkennen mit Begattung einerseits, und Vernunft anderseits, ist kein Zufall.

Nach objektiven, rationalen Kriterien bei einer demokratischen Wahl in heutiger Form entscheiden zu wollen ist für den Wähler fast prinzipiell Hybris und Selbstentfremdung, ja eigentlich groteske Selbstüberschätzung, in die ihn die Propaganda, die diesen Mythos schafft und stärkt, hineingetrieben hat.****

Pluralistische Demokratie kann ohne Propaganda nicht funktionieren, weil sie sich selbst ständig disponibel stellt. Daß sie damit das zerstört, was zu erfüllen sie vorgibt, die schöpferische Freiheit, soll aber hier nicht behandelt werden. Vielmehr braucht auch und gerade dieser Pluralismus Integrationsfiguren, personalisierte Werte, denen beizutreten ist, was eine Person braucht, "an die" geglaubt werden - sie braucht einen Fürsten, als Referenz auf die einzige Form, wie Demokratie überhaupt je funktioniert hat: als personale Entscheidung für einen Menschen, der Entscheidungen zu treffen hat, die auch im personalen Horizont des Wählers liegen.

Deshalb braucht unsere Demokratie genau solche Charaktere als Wahlvolk. Die, entwurzelt, diese Ebene der "gemeinten" Identität brauchen: sie könnten und müßten entscheiden, sie seien wichtig, ihre Meinung sei bedeutsam, und es ginge darum, JETZT zu handeln. Was dem Erleben ja widerspricht: denn einer "öffentlichen Meinung" gegenüber, als Forum der Entscheidungen, wird er unweigerlich erdrückt, sein eigenes Wahrnehmen unbedeutend. Ein Prozeß, in dem sich ihm nun ein mythisch aufgeblasenes Identitätssystem anbietet, DEM er beitreten kann, das ihm Identität gibt, dem er dient: Einer Parteiung, einem Mitspieler in dieser öffentlichen Meinung. Das ist alternativlos, will er nicht Vereinzeltheit riskieren, weil er seine genuine Wahrnehmung, die ihm abhanden gekommen ist, durch "objektivierte Prozesse" ersetzen muß.

Viel natürlicher, humaner und richtiger ist es damit allemal, nach dem persönlichen Eindruck, nach rein subjektiver Ästhetik zu entscheiden. In einer Gestalt ist alles erkennbar. Dunham fragt also völlig zurecht: Mit wem willst Du ins Bett, mit wem willst Du "das erste mal", wer soll Dich deflorieren, und damit entscheidend bestimmen? Ich wollte mit Obama, mit ihm ging ich schon einmal ins Bett, als ich ihn wählte. Danach entscheide auch Du.

Keine Sorge: Danach wird aber ohnehin auch heute jede Wahl entschieden. Deshalb erhält sehr wohl jedes Land jene Regierung, die es verdient. Weil sie ihr ihre Jungfräulichkeit schenkte. Und sei es, daß sie sie sich abkaufen ließ, wie jene Brasilianerin, die sie unlängst an einen Japaner versteigerte. Sie hat nicht mehr gemacht, als heute üblich ist.*****







*Worin übrigens sogar das "ius primae noctae" wurzelt; das zudem die Sorgepflichten des leiblichen Vaters im Blickfeld hatte, in seiner Ausübung also meist sehr erwünscht war. Während es für den Fürsten eine höchst reale Verwirklichung der Bindung des Volkes - als Familie - an ihn bedeutete. Noch heute gibt es Volkschaften, in denen die Beiwohnung des Fürsten oder Häuptlings (in Analogie ist auch der Gast so zu sehen, als Sendbote des Himmels, als Gott - der Andere - selbst, der herabkommt) bei der Frau Ehre und Auszeichnung, eine Verweigerung Schande und Beleidigung bedeutet.

**Während für den Mann das Identifikationsprinzip gilt, als "geistige Begattung" des Schooßes des Selbst.

***Die an amerikanischen Universitäten lehrende deutsche Philosophin Katja Vogt meinte jüngst in einem Interview mit dem Schweizerischen Fernsehen, daß der gesamte Wahlkampf der USA ohnehin nur jenen rund 5-10 % der Wähler gelte, die NICHT sicher sind, wen sie wählen sollten, die vielleicht gar nicht zur Wahl gingen. Die bei weitem überwiegende Mehrheit der Amerikaner habe aber ihre politische Identität, die sie niemals aufgeben würde. Anders als in Europa, gebe es in den USA keine Gemeinsamkeit, die sich aus der Lebensform natürlich ergebe. Die USA wären ein Land völlig individualisierter Haltungen, die aber privat blieben. Dort hätten aber damit politische Zugehörigkeiten viel grundlegendere Bedeutung zur Identität des einzelnen Amerikaners ALS US-Bürger, wären also weit unflexibler, als in Europa. Hier sei der Staat, und dort sein individualistisches Leben. Wer Amerikaner kennt weiß, daß sie ihre persönlichen Ansichten im Gespräch permanent relativieren, niemals auf Durchsetzung bestehen, deshalb Ironie der (für einen Europäer bald enervierende) Grundton jeder Unterhaltung bleibt: sie wollen mit dem anderen auskommen, und dazu entschärfen sie ihre persönlichen Ansichten unentwegt, sind wie ein Fisch nie zu fassen. Diskussionen haben auf sie keine Auswirkungen. Sie verlassen den Raum, und leben ihr Leben wie bisher. Amerikaner sind deshalb nicht tolerant - sie sind gleichgültig und ignorant. Zurück bleibt ein Europäer, der mit jedem Argument seine Lebensart konstituiert, oder verlieren könnte.

****Es bleibt den Verbildeten aller Nationen vorbehalten, an die Kraft rationalen Disputs zu glauben. Jenen, die meinen, fünf Jahre an Universitäten hätten sie nun in die Geheimnisse der Welt eingeweiht, und sie autorisiert, damit stellvertretend aufzuwarten. Arme Opfer der Propaganda, die sie dazu bewegt hat, ihr Eigensein, ihre eigene Wahrnehmung - die einzige Grundlage des Erkennens überhaupt - abzugeben, und dafür einen Handwerkskasten logizistischer Totschläger in die Hände gedrückt zu bekommen. Als Frucht für fünf Jahre ergebungsvollen Sammelns. Das sie endlich befreit hat von einer wahrlich beschwerlichen Last: die Erkenntnis, Weisheit, Wissen als Persönlichkeitsfrucht nämlich bedeutet. Nicht zum verquadratwurzeltem Ergebnis von "Information" vorgaukelt, deren Wirkmacht im Moment der Ausgabe der Diplomzeugnisse an die Träger übergeht, zur Sendung gemacht, die moderne Welt damit zu beglücken. Zu welchem Behufe sie freilich eine Welt benötigen, die die Anerkennung dieser Kriterien "der Bildung" zur gesetzlichen Pflicht erhoben hat, andernfalls wären sie nämlich wertlos. Und ihre Vertreter blieben, was sie sind und immer waren ... Sumper. 

*****Sogar konkret: Es gibt Internetseiten, auf denen solche Angebote laufend zu finden sind. Und da geht es nicht einmal um 580.000 Euro, wie bei der Brasilianerin, da genügen üppigere Taschengelder. 



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