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Freitag, 14. Dezember 2012

Marktphilosophisches (2)

 Teil 2: Was das bedeutet. Anhand zweier (und einiger mehr) Beispiele.



Zwei Unternehmen sollen hier als Beispiel angeführt werden, bei denen das eine oder das andere zutrifft, und beide male überzogen wurde, damit als Lehrbeispiel herhalten können. Der Computerhersteller Dell, und die schwedische Möbelmarke IKEA. Ohne hier das Ziel zu verfolgen, die beiden Unternehmen in ihren Entwicklungen in allen Details darstellen zu wollen. Es soll aber der Schatten ihres Kerns angesprochen werden.

Dell's Unternehmensphilosophie war die eines Dienstleisters. Dell wurde groß mit dem Leitbild, das Bedürfen des Marktes zu erfüllen. Genau zu sehen, was gebraucht wird, und das dann anzubieten. Heute steht der Computerhersteller nach Meinung von Branchenkennern (und der Börsen) vor dem mittelfristigen Aus, das sich mit derzeit 29.000 Entlassungen abzuzeichnen beginnt. Die vielleicht die Kostenstruktur verbessern, aber das Grundproblem nicht beheben, an dem Dell als Geburtsschaden litt: Dell war nie schöpferisch. Es ist dem Markt hinterhergelaufen, was vielleicht da und dort technisch perfektionierter weil spezialisierter, aber es hat nicht das Wesen des Computers zum Ausgangspunkt gemacht. Und so konnte Dell von der Entwicklung am PC-Markt überrascht werden, der sich rasant in Richtung mobiler Terminals - iPads usw. - bewegte. Diese Entwicklung kann Dell aller Voraussicht nach nicht mehr nachholen, und selbst wenn es noch einmal gelingen sollte, ist nicht absehbar, ob sich der "Markt" nicht längst in eine andere Richtung entwickelt hat. Dell hat nie den Markt schöpferisch gestaltet, es hat ihn lediglich "benützt", das Vorhandene ausgeschöpft. Nun will niemand mehr seine Produkte kaufen. Hier nach Einzelfehlern, Fehlentscheidungen hier oder dort zu suchen ist sinnlos und trifft das Problem nicht. Solche Systeme des Hinterher müssen irgendwann einmal zur Gänze danebengehen.

Aus oben Gesagtem läßt sich ja durchaus ein weiterer Grundsatz ableiten. Nämlich der, daß der einen "Markt beherrscht" (bitte, nehme es der Leser nur als Metapher, an der sich etwas zeigt, nicht als Ziel, nicht dem Buchstaben nach, als ideales Wesen des Wirtschaftens, was auch immer), der das Gesetz des Handelns - eben: das des Schöpferischen - in der Hand hält. Wenn Microsoft alle zwei Jahre ein neues Betriebssystem, heute mit aller Gewalt ein Windows 8 auf den Markt bringt, das sogar versucht, völlig neue Maßstäbe zu setzen, so aus genau dem Grund: Man muß Maßstäbe vorgeben, Maßstab "sein", um nicht unterzugehen. 

(Was alleine noch keinen Grund für maßloses Wachstum ist, der Hinweis ist wichtig. Gerade traditionsreiche Produkte zeigen das Gegenteil, die oft eben "ewiger" Maßstab sind, ohne Ehrgeiz, unentwegt zu wachsen oder alles zu beherrschen. Am deutlichsten wird das bei Marken, die zum Synonym für ein Produkt wurden. Das beginnt beim "Cappy" - Synonym für Orangensaft - und endet bei "Mercedes", Synonym für "das gute Auto schlechthin". Dabei kam es nicht einmal auf die Perfektion dieses Produktes selbst an! Legendär dazu die Figur des Enzo Maserati. Seine Autos hatten von Anfang an haarstraubend schlechte Bremsanlagen. Meine Autos sollen ja fahren, nicht bremsen, meinte Maserati einmal, dazu befragt. Die Marke ist heute noch unbezahlbar in ihrem Segment.)

Die Probleme, die IKEA seit vielen Jahren hat, liegen auf der anderen Seite dieser Skala. IKEA hat immer auf Illusion gesetzt, auf Virtualität. Es hat nie "Produkte" verkauft, sondern immer nur Lebensgefühl. Genau an dieser Achillesferse wird das Unternehmen nun laufend getroffen. Wie jüngst wieder, als öffentlich wurde, daß viele Möbel von politischen Häftlingen in Billigstlohmanier produziert wurden, die in DDR-Gefängnissen unter unmenschlichsten Bedingungen* einsaßen. IKEA hat sich um die Substanz seiner Produkte nie gekümmert, das ist die Wahrheit. Die Produkte mußten nur so "aussehen wie", und IKEA gab das Lebensgefühl vor, das erstrebenswert war - darin durchaus geschickt, wie ein Pulsometer, mit vielen gesellschaftspolitischen Erhellungen, die daraus abzuleiten waren und sind - seine Produkte waren nebensächlich.

Nun wirkt sich diese Substanzschwäche immer wieder auf dieses Lebensgefühl aus. IKEA stößt längst auf gefährliche atmosphärische Störungen, die ihm ein Gefühl umhängen, das man wohl lieber nicht hätte - durch Kinderarbeit, durch eiskaltes Ausnützen globaler sozialer Gefälle. Während es seit einigen Jahren ganz gezielt auf eine Werbelinie zu setzen versucht, die wirkliche Substanz ansprechen - die IKEA-Werbung wirkt manchmal konservativer in ihrem Appell an die Familie, an "echte Werte", ja "politically incorrecter", als konservativste Politik je wagen würde.

Der große Kontrahend von Microsoft soll hier ein ergänzendes, abschließendes Schlaglicht liefern - im Kultprodukt "Mac", Apple. Mit ganz ähnlichen Problemen und Produktphilosophien. Steven Jobs, wie fast alle Proponenten des elektronischen Zeitalters der 68er-Bewegung in den USA entsprossen, hatte eine virtuelle Blase geschaffen. Es gibt sogar Untersuchungen die zeigen, daß nicht ein Bestandteil der Apple-Produkte vom Unternehmen selbst entwickelt wurde. Man hatte sich der Entwicklungen nur bedient. Jobs hat aber eine neue Atmosphäre, wie IKEA ein Design, ein Gefühl geschaffen, und marketingtechnisch höchst geschickt repräsentiert. Und damit den Markt beherrscht, Entwicklung vorgegeben. 

Nicht verwunderlich also, daß auch die Herstellungsweisen von Apple denen von IKEA in der Fragwürdigkeit kaum nachstehen. Apple kam längst in schweren Verruf, weil sich herausstellte, daß viele ihrer Produkte unter ähnlich menschenverachtenden Bedingungen produziert werden, wie es IKEA lange tat. Beide beherrschten den Markt durch Illusion, auf sehr vergleichbare Weise, beiden war ihre eigentliche Produktsubstanz aber nebensächlich. Selbst dort, wo sie dem verkauften Image schwer entgegenstand. Und beide sind auf gleiche Weise verwundbar.

In all diesen Fällen ist eines nie erfolgt: wirklich schöpferisches Wirtschaften. Die einen haben es überhaupt verabsäumt, und sind dem Schöpferischen hinterhergelaufen, die anderen haben es ohne Rücksichten vorgetäuscht. Allen gemein ist mangelndes Begreifen, was Markt überhaupt ist. Und das hat mit pekuniärem Erfolg, mit Geld, rein gar nichts zu tun. Der nur eine Maschinerie bespielt, unter der längst alle leiden. Weil sie mit Lebensgeglücktheit nichts zu tun hat, sondern wirkliches Leben brutal imitiert und entleert, indem sie es zu einer virtuellen "Ideologie" umbricht. Daran krankt unsere Welt, gerade in ihrer oberflächlichen Funktionalität, die immer auf Kosten des Lebens geht, zuvorderst.




*Der Verfasser dieser Zeilen hatte in seiner Zeit in Berlin die Gelegenheit, mit ehemaligen politischen Häftlingen zu sprechen. Nicht zuletzt konnte er die psychischen Folgen beobachten, vor allem in der Gestalt des Wirtes (nach 3 Jahren Bautzen), bei dem er häufig ein einfaches Mittagsmahl einnahm. Wie brutal ignorant muß ein Unternehmen - das alleine mit dem obligaten "Du" Menschenfreundlichkeit, Brüderlichkeit zum Um und Auf seiner Politik gemacht zu haben vorgab - sein, die rechtlose Situation dieser Menschen, die sogar direkter Folter ausgesetzt waren, auch noch auszunützen.




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