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Sonntag, 2. Dezember 2012

Schüsse nach hinten

aus 2010) Der Sozialwissenschafter Günter Amendt zieht in einem Artikel in der Neuen Züricher Zeitung ein umfassendes (vom Umfang her gerafftes) Fazit über den Ist-Zustand der Frage der Geschlechter. Und er kommt erwartungsgemäß zu fatalen Schlüssen, die aber nicht einfach den Feminismus bloßstellen, sondern schlicht zeigen, daß seine Intentionen in völliger Verkennung der Wirklichkeit der Geschlechteridentitäten zu widersprüchlichen, ja seinen vorgeblichen Intentionen entgegenstehenden Ergebnissen gekommen ist. Sich zugleich aber im Staatsgesamten verheerend auswirken: nämlich eine Zentralisierung mit eine Stärkung der Rolle des Staates brachten, wie sie sich niemand je hätte ausmalen können und wie sie im Grunde nur (schlechte, weil willkürliche, sich dem Volkswillen entgegen wissende) Diktaturen kennzeichnet.

Die aus vermeintlichen Gründen der Brechung der Übermacht der Männer duchgesetzte Bevorzugung der Frau verhindert so nicht nur deren Bewährung und damit erst ihre eigentliche Befreiung von angestammten Rollen, sondern produziert erst so das Bild eines übermächtigen Mannes, dessen Macht nur noch mit einem noch mächtigeren, omnipräsenten Staat zu brechen ist, der sich in kleinste zwischenmenschliche Fragen regelnd einmischt. Sieht man davon ab, daß die Fixierung der Geschlechterrollen noch nie so fest war wie heute, wo hie die Opfer, dort die Täter, selbst eine intendierte Neubestimmung der Rolle in der Welt, vor allem auch auf individueller Basis, die nämlich von Metaideologien überlagert flexibles Reagieren abtöten, unmöglich machen.

Amendt: Anstelle von Selbstbefähigung machte sich eine Welten-Teilung in Opfer und Täter, eben Machtvolle und Machtlose, breit. Eine elitäre Ideologie enteignete Männer wie Frauen ihrer Individualität. Paradoxerweise in einer Epoche, in der jeder seinen Lebensstil selber gestalten sollte. Diesem Verlust von Individualität entsprach die Aufrüstung des Staates zum alles umfassenden Versorger und Kontrolleur.

Einige weitere Aussagen:

[...] Frauen hingegen wurden von jeglicher Verantwortung für gesellschaftliche Entwicklungen, selbst für die kindliche Erziehung freigestellt. So wurde die Zuweisung von Schuld an die Adresse der Männer zu einer Voraussetzung für die weibliche Unschuld. Diese Schuldzuweisung wird in Deutschland seit drei Jahrzehnten mit Unterstützung von Ministerien, Frauen- und Genderforschung wie Kirchen praktiziert.

[...] Dass Frauen sich in dieser oder jener Form als Feministin beschreiben, ist weniger ein Problem als das Gebräu feministischer Ideologien, das die Dämonisierung von Männern verfestigen konnte. Indem Männer dazu schwiegen, haben sie möglich gemacht, dass die genderfeministische Ideologie eine mächtige Phalanx von Behörden, Frauenhäusern, Forschungsinstituten, Fachzeitschriften und Frauenförderung aus dem Boden stampfen konnte. Viele Institutionen ausserhalb politischer, fiskalischer und wissenschaftlicher Kontrolle verbreiten die Ideologie von der schwachen Frau.

So hat der Genderfeminismus Frauen letztlich kollektiv zu Wesen ohne Willen und Durchsetzungskraft erniedrigt. Das ähnelt dem Diktum, das Paul Justus Möbius mit dem «physiologischen Schwachsinn des Weibes» 1900 in die Welt setzte, um Frauen aus der Berufswelt fernzuhalten. Ähnliches soll heute gelten: Frauen schaffen es alleine nicht. Sie brauchen einen Retter. Damals sollte die Rettung der heimische Herd sein, heute ist es ein nach Massgabe feministischer Vorgaben umgestalteter Staat. Weil Frauen Opfer seien, kann Erfolg nur durch Bevorzugung entstehen. So werden Befreiung und Wettbewerb zur Unmöglichkeit.

Darüber hinaus hat feministische Politik den demokratischen Prozess geschwächt. Denn was als Konflikt ausgetragen werden müsste, endet in der Zuschreibung von Wesensmerkmalen. Einmal Täter, immer Täter – eben ein Mann! Männer wie Frauen stehen sich dann nur noch im Wege, Flexibilisierung wird schier unmöglich. Da der Feminismus keine Konfliktlösung anstrebt, soll der Staat zugunsten der Frauen tief in die Privatsphäre und das Geschlechterarrangement eingreifen.
Solange diese Opferbesessenheit die Interessen von Frauen einer Ideologie unterordnet, bleibt nur der Ruf nach dem starken Staat. An der Erstarrung der Männer wird sich deshalb nichts ändern. Denn für die männliche Gefühlswelt sind unzufriedene Frauen ein Hinweis auf verfehlte Pflichten. Sie folgern daraus, dass sie sich noch mehr Mühe als bisher geben müssen. Denn das kann ihre Schuldgefühle beschwichtigen. Aber vielleicht schweigen die Männer zu alledem, weil sie auch die Angst ahnen, die sich unter Frauen angesichts ihrer neu gewonnenen Freiheiten ausgebreitet hat. Und diese Freiheiten dürften vielen Männern ebenso grosse Angst bereiten. Flexibilisierung ist offenbar ein voraussetzungsreiches Projekt.



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