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Sonntag, 27. Januar 2013

Auf dem Boden der Vernunft

Johannes Duns Scotus sieht die Frage nach der Dreifaltigkeit keineswegs als akademische Diskussion, die so oder so gesehen werden könnte. Er sieht sie als zutiefst praktische Frage. Denn nur wenn das Wesen der Dinge selbst, in ihrer Struktur, als Analogia Entis, als Analogie zu Gott gesehen wird, bleibt die Christologie des Christentums aufrecht. Sonst zerfällt sie unweigerlich. Und sie ist bis in den Alltag hinein vor gar nicht abzuschätzender Relevanz.

Es geht um die Frage, ob Jesus Christus, Gottes Sohn, gezeugt vom Vater in der Liebe des Heiligen Geistes, immer gewesener Teil der Dreifaltigkeit ist, oder ob Gott Vater ihn auf die Erde geschickt hat, um den "Fehler", in den die Schöpfung in der Erbsünde gefallen ist, zu "korrigieren".

Denn diese Sichtweise, die sich (damals, aber heute erst recht - Duns Scotus ist einem Ausmaß aktuell, das einen verblüfft) sehr weit verbreitet hat, führt zwangsläufig zum Anthropozentrismus, und darin zur Degradierung von Jesus Christus zum Knecht der Menschen. Nicht zuletzt der Arianismus gründet darin. Und viele Sichtweise auch der Gegenwart sind ein wiederauferstandener Arianismus - man beachte nur die vielen esoterischen Lehren, die herumschwirren. Aber man beachte auch die Praxis und Sprache der Katholischen Liturgie, wie sie oft praktiziert wird. Die man zweifellos auf diesen Nenner bringen könnte. Hier wie dort wird Jesus Christus zur durch Technik dienstbar gemachten "Kraft". Bis zum Geschwafel vom "Christus in jedem", das ein indirekt machbare Aussage pervertiert. Darin fällt der Mensch zu einem zufälligen Produkt, wird einerseits wertlos, anderseits vergöttlicht.

Im Wesen der Dreifaltigkeit aber drückt sich das Wesen aller Dinge aus. Edith Stein zergliedert in "Vom Endlichen zum Ewigen Sein" diese Grundfragen der Philosophie von Anbeginn an mit größter Präzision, und zeigt damit, daß der von Gott gezeugte Sohn Jesus Christus, im Hl. Geist der Liebe, analoges Wesen aller Dinge ist, und insofern sogar bis hinein zu Platon's Konzeptionen zusammenführt, was oft seltsam getrennt gesehen wird.

Jesus war von Anbeginn an, und in ihm ist alles Geschöpfliche begründet, er ist Anfang und Ende aller Dinge. Nur in dieser (in sich noch einmal tief fundierbaren) Sicht schließt sich das Geheimnis der Erlösung überhaupt auf und wird nachvollziehbar. Nur so wird auch das Wesen der Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter verständlich, mit seinen tiefen Auswirkungen auf das Verständnis vom Wesen des Menschen überhaupt. Nur so wird Gott als Liebe begreifbar, in der der ganze Bauplan der Schöpfung begreifbar wird. Es ist nicht das "Ich" des Menschen, das in seiner Fehlerhaftigkeit den Sohn in die Welt kommen ließ, und Gott hat in der Inkarnation nicht den ganzen Schöpfungsplan umgekehrt, sondern er ist und war immer in seiner Weisheit geordnet.

Fällt dieses Wissen (in seiner tiefen Vernünftigkeit und Erhellungskraft), stürzt die Haltung zum Geschöpflichen, und der Weltenplan löst sich aus der Vorsehung. Ohne die Liebe seines Sohnes, als Erwiderung, würde alle geschöpfliche Liebe immanent bleiben, eine gottgemäße Liebe wäre nicht möglich. Und nur in dieser liebenden Umarmung, Christus Sohn, Mensch und Wort zugleich - Vater, hat die Schöpfung überhaupt Sinn. Nichts, absolut nichts ist damit seinem Zugriff entzogen, hat nur Bestand weil und soweit es am Sein Gottes Anteil hat. "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben." Was außerhalb der Vorherbestimmung Gottes sein wollte, wäre Nichts. "Alles ist durch Christus für Christus geschaffen worden." Von Anbeginn auf ihn hingeordnet. "Per Christum dominum nostrum" endet daher jedes hohepriesterliche Gebet in der Liturgie. "Durch ihn, mit ihm und in ihm ..." Die Schrifstellen, die darauf hinweisen, dies belegen, sind schier ohne Zahl. Nur in dieser Sicht wird Gottes Liebe, der die Schöpfung in seinem Sohn liebt, zum ewigen Wohlwollen. Denn er selbst sieht die Schöpfung in seinem geliebten Sohn, und nur in dieser Sichtweise wird auch die Schöpfung "erhöht", die mit Christus eins wird, soweit sie an seiner Sohnschaft teilhat. Um an Gottes innerem Leben teilzuhaben, berufen zur Herrlichkeit - im Menschen Christus sofern er Mensch ist (und das ist er, ganz). Einer Natur mit Christus, dieser von Jesus verdienten Gnade angepaßt, Anteil an der größten erschaffbaren Gnade.

Je mehr Christus erhoben wird, desto mehr werden es also auch die Geschöpfe, seine Glieder. Alles schuldet ihm sein Sein. "In ihrer Aktivität also und in ihrer Bestimmung ist die Ordnung der Welt christlich." Damit gibt es kein Sein (als Seiendes), das "in sich schlecht" ist*.

"Die Liebe ist die alleinige Ursache der Menschwerdung. Gott wollte die hypostatische Union, um außer seiner selbst das Höchstmaß an Liebe zu verschenken und zu empfangen bis zur unendlichen Gleichwertigkeit in der Person des fleischgewordenen Wortes Jesus Christus, und durch Ausweitung in all seinen mystischen Gliedern, den Engeln und Menschen." Daß Christus "qui propter nos homines" herabstieg heißt nicht das Gegenteil, sondern es grenzt historisch nur ab gegen die Lehre, die meint, er wäre der Engel willen Erlöser geworden. Christus hat auch nicht nur für den Akt der Erlösung Fleisch angenommen, schreibt Duns Scotus (auch hier: in Einklang mit Thomas v. Aquin). Denn das Ziel muß höher sein als seine Mittel. Also kann die Schöpfung nicht niedriger sein als sein Erlöser. Aber sie kann es auch nicht aus sich heraus sein, sondern nur wenn sie in eins mit Gott gedacht wird - im Sohn Jesus Christus. "Der Mond ist nicht wegen der Eulen und Fledermäuse da." Dieses gleiche Wesen hat aber seinen Seinsgrund im Guten, das es dem anderen antut. "So sagt man habe der König seinen Seinsgrund im Volk, sofern seine Regierung dem Volk den Frieden bringt."

Also hat die Menschwerdung Christ ihren Seinsgrund notwendig im ewigen Wesen Gottes, dessen Wille unwandelbar ist (bzw. sein muß). Das Mysterium der Erlösung ist insofern dem der Menschwerdung untergeordnet, unabhängig von der Sünde der Menschen, Gottes ewige Schau kann nicht vom Zufall menschlicher Akte abhängen. In Jesus vereint sich Gott selbst mit dem höchsten, von Gott erschaffbaren Wesen - dem Menschen. (Was die Kindheits- und Reifejahre Jesu nicht zur netten Episode frommer Gemüter macht, sondern ihnen substantielle Bedeutung gibt.)

Die Welt kann sich also nicht "per Zufall" aus der göttlichen Vorsehung losreißen. Sie hat nur die Wahl zwischen Sein und Nichts, aber niemals außerhalb des ewigen göttlichen Vorherwissens.** Wird Christus anthropozentrisch gedacht, wie oben versucht wurde auseinanderzulegen, beginnen die Weltereignisse notwendig eine völlig andere Natur anzunehmen - sie nehmen die Dimension der Göttlichkeit (aus sich selbst heraus, bzw. aus menschlichem Handeln heraus) an. Und wenn man die apokalyptischen Ängste der Gegenwart heranzieht, so läßt sich genau das erkennen: Der Klimawahn sei nur als eine davon erwähnt. 

Man erkennt hier genau die praktische Bedeutung, die der Scotist meint. Solche Sichtweise wächst aus einer zutiefst bereits verkehrten Sicht der Schöpfung, und degradiert die Erde entsprechend auch zu einem menschlich-technischen Machwerk, das in seiner Unvorhersehbarkeit auch den Schöpfer überraschen kann. Die Natur einer Erlösung, ihre Notwendigkeit (auch die wird heute ja gar nicht mehr gesehen, auch das hängt direkt damit zusammen), ist nicht mehr wirklich einzusehen, wird zum bloßen "Erklärungs- und Meinungsmodell", das man sich auch anders vorstellen könnte.*** Oder außer Kraft gesetzt angesichts dringlicherer Verfahren, die notwendig sind, um grade mal die Welt zu retten, damit, vielleicht, Gott überhaupt noch etwas zu erlösen hat. 

Fällt dann noch das Verständnis der Erbsünde - auch hier auf eine stupende Weise mit der Lebensführung der Gegenwart selbst verknüpft, die Gebrechlichkeit gleichfalls zur technischen (aber behebbaren) weltimmanenten Ablaufstörung macht - ist Erlösung und vor allem die Menschwerdung Gottes überhaupt nicht mehr einsichtig. Dann wird (auch das heute so häufig) Jesus zum tollen, ja, wunderbaren, gewiß, Wanderprediger und menschlichen "Religionsstifter", wie Buddha Gautama, oder Mohamed, Gandhi oder Martin Luther King oder Gerry Kessler's Anti-Aids-Geilerei.






*Es gibt aber eine falsche Sichtweise, die das Sein verkennt, nicht erkennt. Eine klare Trennung, die nicht zu wahren alles Faktische vergöttlicht, verabsolutiert, wie es dann bei Hegel seine Bahn fand, der meinte, daß in der historischen Dialektik alles historisch Gegenwärtige "göttlich" sei.

**Das würde, so nebenbei, jede Gottesidee in Wahrheit auflösen; auch das ist heute übrigens vielfach zu beobachten, wo Gott zur welt-/kosmosimmanenten, technischen Kraftidee wird, und damit überhaupt kein Gott mehr ist - Nihilismus! 

***Und fast als Grundzug unserer Gegenwart wird ja die Frage des Religiösen zur Frage von Meinungen entwertet. Eben, weil nicht mehr die Grundlage der Vernünftigkeit der Heilslehre gesehen wird, die in sich tief vernünftig ist, also auch der menschlichen Vernunft, dem Verstand erschließbar. Aber nicht voraussetzungs-, kostenlos. So wie man einen esoterischen Schmöker liest, der einem gefällt, oder auch nicht.



 


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