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Samstag, 19. Januar 2013

Eigentumslose Gesellschaft

In einem interessanten Blickwinkel sieht der Philosoph Jörg Friedrich im The European den gesellschaftlichen Wandel. Denn er weist auf den Unterschied von Eigentum und Besitz hin. 

Eigentum, so Friedrich, bringt eine besonders intensive persönliche Beziehung zum Ausdruck. Eigentum sagt also etwas über das Eigentümliche an einem selbst aus. Identität und Eigentum sind unlöslich miteinander verbunden - ganz anders als bei Besitz ist Verlust an Eigentum auch immer Selbstverlust, Eigentum ist also Teil der Selbstverwirklichung. Eigentum hat also gesellschaftliche, soziale Bedeutung, es ist in seiner Eigenart selbst Ziel.*

Über Besitz wird zwar auch verfügt, aber an ihm dominiert seine funktionelle Seite. Wenn ihm etwas daran nicht mehr paßt, zerstört oder veräußert er ihn wieder.  Er ist am Erhalt des Sinnes eines besessenen Dinges nicht weiter interessiert. Mit Besitz sollen Interessen verfolgt werden, die mit dem Ding selbst nichts mehr zu tun haben: er ist Zweck für anderes. Genügt ein Ding diesem Zweck nicht mehr, wird es abgestoßen.

Gibt es keine Eigentümer in einer Gesellschaft, sondern nur Besitzer, drückt sich darin ein völlig anderes Verhältnis zu den Dingen aus. Wie in der Wirtschaft deutlich zu erkennen ist: Eigentümer von Betrieben agieren völlig anders, als Besitzer, wie sie in bloßen Aktieninhabern oder Kapitalgebern auftreten. Die viel rascher Werke stilllegen, oder Arbeiter entlassen, wenn ihr Besitz ihren Anforderungen an Funktionalität nicht mehr genügt.

Der Leser soll sich selbst weitere Antworten geben, bedenkt er die Zusammenhänge mit dem Umgang mit der Umwelt: Welche Auswirkungen es hat, die Welt, die einen umgibt, nicht mehr als (egal wessen) Eigentum zu begreifen, die Welt damit zu durchwirken bzw. die Welt als davon durchwirkt zu sehen (sodaß alles zu einem in persönlichen Verhältnis steht), sondern als bloßen Lieferanten von Effekten und Nutzen, als objektiver Ort von objektiven, aber für einen selbst aussagelosen Prozessen ... als Besitz. 

Wenn aber Raum lediglich durch Beziehung entsteht bzw. dadurch definiert ist, wird Eigentum konstitutiv für die Welt. Hängt der Zustand der Welt direkt von der Qualität der Beziehung ab. Wird Beziehungslosigkeit (als bloßer Nutzen) zur Auflösung der Welt.





*Eigentum und Besitz haben also völlig anderen Rang, was die Persönlichkeit und deren Entwicklung anbelangt. Eigentum kann nur im Gleichschritt mit der Persönlichkeit gesehen werden, die im Eigentum zur Welt in persönliche Beziehung tritt, das geeignete Ding zum Teil seiner Persönlichkeit macht. Daraus entwickelt sich ein völlig anderes Verantwortungsgefühl, das Ding selbst kann geliebt werden, und in dieser Liebe wird es auch erhalten. Es ist ganz sicher kein Zufall, daß der Eigentumsbegriff zu den Begriffen gehört, die in den vergangenen Jahrzehnten am meisten demontiert wurden. Die Folgen sind evident. Selbst zwischenmenschliche Beziehungen sind mittlerweile "enteignet" ("jemandem angehören" wird nicht mehr verstanden) - und reine Zweckbeziehungen, selbst zwischen Eltern und Kindern etabliert: die Menschen auch in engsten Verhältnissen sind bloße Objekte der Befriedigung von Ansprüchen. Es ist wert zu bemerken, daß diese Ambivalenz in der unterschiedlichen Vater/Mutter-Position zum Ausdrück kam. Mit der staunenswerten Folgerung daraus, daß gleichzeitig mit der Stärkung der Position der Frau (nennen wir es so) im gesellschaftlichen Leben die Ver-Objektivierung voranschritt, der Besitz also. Während doch im familiären Prozeß der Vater den objektiveren bzw. objektiviererenden Part einnahm bzw. einnimmt, die Mutter der Teil war, der zur auch "objektlosen" Person stand. Als würden die Frauen die Rolle des Mannes einnehmen ... nicht ihr Selbstsein in der Gesellschaft stärken.




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