Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 27. Februar 2013

Maßgebender Gott (1)

Das Gerücht ist nicht zu besiegen - Kaiser Friedrich II. wäre ein Ausbund an Toleranz und Milde gewesen. Genau das Gegenteil ist wahr, schreibt Ernst Kantorowicz in der Biographie über den Staufer, die er verfaßt hat. Das Abendland hat weder vorher noch nachher einen derartig gewaltbereit-intoleranten Herrscher hervorgebracht. Denn kein Kaiser, so Kantorowicz, war dem Anspruch wie dem Wesen nach so schlechthin der RICHTER, wie Friedrich der II., der als Richter jahrhundertelang hindurch in der Vorstellung der Welt weitergelegt hat und dessen Wiederkehr man als Richter erwartete, als Rächer menschlicher Entartung. Ein toleranter Richter aber gleicht lauem Feuer.

Für Friedrich war er selbst Stellvertreter Gottes auf Erden. Die Widersprüchlichkeit, die sich in seinem formalen Anerkenntnis des Papstes ausdrückte, ließ er aus politischen, nie direkt ausgesprochenen Gründen bestehen.  Denn er ließ zwar die Kirche weiter wirken, offiziell, auch weil er keinen Konflikt mit der Religiosität der Bevölkerung heraufbeschwören wollte, aber er ersetzte sie. Sein Staat WAR die Ecclesia, die verwirklichte, reale Ecclesia.

Deshalb war das Gesetz, auf dem er das Staatsleben - in seinem Land vorerst, im Königreich Sizilien (mit Unteritalien bis Neapel) - aufbaute, und das von Rechtsgelehrten ausgearbeitet wurde, gleichzeitig Gesetz Gottes, denn menschliche Vernunft war auch die Vernunft die die Schöpfung regierte. Und sie war fleischlich repräsentiert im Kaiser, in seiner Person. Sein Wille war also dem Willen Gottes gleich, was er an Gesetzen erließ war auch Gottes Gesetz, dem er unmittelbar gegenüberstand. Wer ein Gesetz übertrat, beleidigte somit Gott selbst. 

Wer den Herrscher oder einen von ihm eingesetzten Beamten beleidigte oder auch nur in Frage stellte, beging einen Religionsfrevel in der Majestätsbeleidigung. Auch hier veränderte er folgerichtig grundlegend das System: die Lehensfreiheit wurde ersetzt durch von ihm bestellte, im Grunde omnipotente Beamte, die für Verstöße und Vergehen schwerst bestraft wurden. Kein Beamter durfte aus jener Gegend stammen, über die er eingesetzt wurde. Damit war sein Vermögen konfiskabel. Aber wenn sie auch 
einem gnadenlosen Kontrollsystem unterlagen - genau deshalb waren sie korrupt, wie eben typisch für eine Tyrannis.

Staat war damit gleichzeitig Ort der Religion. Folgerichtig wertete er die (zuvor nur kirchliche) Inquisition auf, ja führte sie als Staatsanliegen ein. Und verfolgte alle Ketzer in seinem Königreich Sizilien (und dann über ganz Italien, Sizilien war eine Art Normvorlage) mit brutaler Gewalt. Seine Toleranz anderen Religionen gegenüber beschränkte sich auf jene Fälle (er siedelte die sizilischen Sarazenen sogar außerhalb Siziliens an) in denen er sie für seine Machtzwecke benützen konnte.

Alles in seinem totalen Staat war Majestätsangelegenheit, alles war vom Staat zu regeln, bis in letzte Details hinein direkte staatliche Verwaltungsangelegenheit.* Von der Fischerei, bis zur Schädlingsbekämpfung. Er machte genau das, wie man sich heute oft eine "Verwaltungsreform" vorstellt: Er schaffte alle Mittlereben zwischen Bürger und Staat ab. Und damit das oft sehr komplexe Rechtsgefüge aus Rechten und Pflichten und Standesbelangen, das natürlich "lästig" war. Städte durften sich keine Stadtoberhäupter mehr setzen, die wurden vom Kaiser bestellt,  bald Klöster nicht mehr ihre Äbte, Diözesen ihre Bischöfe. Das ganze von ihm regierte Land wurde der "uniformitas" unterworfen, gleichgehobelt. Und gleichzeitig nach außen durch zahlreiche Festungen gesichert. Was sich ihm sperrte, wurde brutal überwunden.

Sein zentralistischer Staat verwandelte sich je nach Bedarf in einen total abschließbaren, "geschlossenen Handelsstaat", als mittelalterliche Stadtwirtschaft, ausgedehnt auf ein ganzes Königreich: Staatswirtschaft ging über Privatwirtschaft, was lohnend schien, wurde zum Staatsmonopol, Import/Export nach Staatsbedarf geregelt, streng überwacht, und besteuert. Vergab er Rechte, so wie den Seidenhandel an die Juden, dann gegen hohe Abgaben. Er führte eine Einheitsmünze ein, vereinheitlichte Maße und Gewichte. Bald war der Staat größter Landeigentümer, und damit Lebensmittelproduzent. Bauern, die zuwenig arbeiteten, wurde ihr Land weggenommen und jenen gegeben, die es bearbeiteten. Bald konnte niemand mehr mit den Staatsbetrieben konkurrieren, die nicht einmal Zölle zahlten, die herausholten, was herauszuholen war.

Als einmal - Kantorowicz erzählt einen konkreten Fall - in Tunesien Hungersnot ausgebrochen war, und tunesische Händler in Sizilien anlandeten, um mit genuesischem Geld Getreide von privaten Bauern zu kaufen, schickte Friedrich sofort einen arabisch sprechenden Unterhändler nach Tunis, ließ alle Häfen sperren, mit Staatsgeld sämtliches Getreibe aufkaufen, das zu kriegen war, die kaiserliche Flotte beladen und auslaufen, und gestattete dann wieder, die Häfen zu öffnen. Da war aber wohl seine Flotte bereits in Tunis angelangt. Der Staat, hatte nur mit diesem einen Handel eineinhalb Millionen Mark verdient.

Teil 2 morgen)  Sich ein Volk heranbilden





*Außer Zivilangelegenheiten, die keine staatlichen Agenden betrafen. Die waren Friedrich völlig gleichgültig. Bürger konnten oder mußten sich die Rechtsnormen für Privatstreitigkeiten selbst suchen.




***