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Mittwoch, 10. April 2013

Schacherwirtschaft (1)

Der Chef des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts IFO, Hans-Werner Sinn, hat (allerdings schon vor Jahren) einen neuen Begriff etabliert, der nun heftig diskutiert wird - er meinte nämlich, daß die bloßen Export-Import-Zahlen, die Handelsbilanzüberschüsse, die Deutschland vorgeworfen werden (Deutschland finanziere seine wirtschaftliche Stabilität aufgrund zu geringer Stückkosten, insbesonders Löhne, auf Kosten der anderen Länder) keine Aussage über die wirkliche Wertschöpfund und damit auf die volkswirtschaftlich relevanteren Interpretationsfakten habe. Im Klartext: Der Exportboom, auf dem Deutschlands Stärke beruht, drückt zwar Kapitalimport aus (Geld aus ausländischen Erlösen, das ins Inland fließe), doch habe dieses Kapital einen deutlich geringeren beschäftigungstechnischen Effekt als bisher angenommen. Deutschlands Wirtschaft habe ich lediglich zu einer "Basarökonomie" gewandelt, zu einem Geldumschlagsplatz entwickelt, der die offiziellen Zahlen aufblase, aber wenig realen Effekt habe.

Graphik: Die Welt
Wie begründet Sinn das? Ganz einfach: Wenn Deutschland heute ein Auto im Wert von sagen wir 100 exportiert, so ist die wirkliche Wertschöpfung in Deutschland dabei nur 30. Denn das Stahl kommt aus Österreich, werde in der Slowakei verarbeitet, und als Vorprodukt im Wert von 70 nach Zuffenhausen importiert, wo Porsche nur noch sein Drumrum anbringt und den Aufkleber "Made in Germany" anheftet, um den fertigen Schlitten dann zu exportieren.

Die Arbeitsplätze gerade in den niedrigeren Fertigungsstufen befinden sich aber in Österreich und der Slowakei. Denn die starren Löhne, so Sinn, in den unteren Arbeitssektoren haben Porsche aus Kostengründen gezwungen, ihre Bestandteile im Ausland fertigen zu lassen. 

Diese Art von Wirtschaftsstruktur bringt also zwar einen gewissen Beschäftigungseffekt im höheren, kundennahen Marketing- und Endfertigungssektor, vernichte aber die unteren Arbeitsstufen und Wirtschaftsbereiche. Dieser Effekt ist nur noch teilweise zu kompensieren. In Summe ergibt es höhere Arbeitslose, trotz offiziell boomender Wirtschaft mit hohen Exportüberschüssen. Porsche liefert also zwar mehr Fahrzeuge aus, obwohl es seine Fabriken nicht vergrößert.

Anders sieht es z. B. in Frankreich aus, das Deutschland gegenüber ein Handesbilanzdefizit von 40 Mrd. pro Jahr hat. Aber in jedem französischen Auto steckt ein ungleich höhere Fertigungstiefe und damit Wertschöpfung in Frankreich selbst. Die Exportzahlen sind also geringer, aber der Beschäftigungseffekt der Industrie höher. In jedem exportieren Renault steckt also viel mehr französische Wertschöpfung, als in einem Porsche oder Mercedes.

Importiert also ein Österreicher einen Porsche, so ist zwar die Handelssumme 100, nach dem Wertschöpfungsansatz gesehen aber exportiert Deutschland nur 30, der Rest wird nur "durchgeschleust", ja in diesem Fall hat sogar der Österreicher sein Stahl beigetragen. Die Wertschöpfungsbilanz beträgt also nicht 100, sondern (sagen wir) 70, davon 30 gegen Deutschland, und 40 gegen die Slowakei, um beim Beispiel zu bleiben. Unter diesem Gesichtspunkt sind die offiziellen Handelsbilanzüberschüsse Deutschlands je nach Land um ein gutes Viertel in ihrer volkswirtschaftlichen Relevanz überschätzt.*




Teil 2 morgen) Viel Geld - aber keine Arbeit



*Mit einem interessanten Detail: Wie die Welt schreibt, hat seit 1991 der Außenhandel mit EU-Staaten an Bedeutung STARK ABGENOMMEN.



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