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Dienstag, 2. April 2013

Von den Ständen

Es ist eine historisch erklärbare, aber verfälschende Entwicklung, den Beamten oder den Soldaten als eigenen Stand zu sehen. Neben dem Bauern-, dem Bürgerstand, und dem des Adels, mit der Ausnahme des Proletarierstandes, dem Stand der Auflösung aller Stände. So, wie es auch keinen Klerikerstand gibt, schreibt Riehl in seiner Soziologie. 

Aber die Zentralisierung - wieder: mit der Schlüsselepoche Friedrich II., des Staufers, in der ersten Hälfte des 13. Jhds. - der Staatsmacht brachte auch die Entwurzelung des Staatsbeamten. Dazu kam die Substituierung des Ritters durch den bezahlten Kriegsknecht, auch hier also dieselbe Entwicklung der Loslösung der Tätigkeit aus der Einwurzelung in ein soziales Gefüge. Ihr Bezugspunkt wird somit ein abstraktes Gebilde "Staat", entsprechend hohl und behauptungslastig ihre Identitätskonstruktion.

Ein solcherart wurzelloser Beamter oder Soldat war nur noch der Zentralmacht angeschlossen. Das sicherte die Willfährigkeit, und löste das Problem der Sonderinteressen lokaler sozialer Gefüge. Friedrich II. legte größten Wert auf zumindest jährlichen Wechsel seiner Beamten, um genau diese Verwurzelung mit der Bevölkerung zu vermeiden. Dieser Zweck stand dahinter, sie zu einem eigenen "Stand" zu erklären. Der sie aber nie waren oder sind, der in ihnen sogar dem Wesen nach das Proletariat vorwegnimmt. Deshalb tritt auch erst in dieser Phase das Kastenbewußtsein - die ängstliche Bewahrung von Standesgrenzen, weil man eben um deren Gefährdung weiß - auf, mit dem sozialen Gift der von oben verfügten Privilegien, wenn nicht der Ineinssetzung mit Macht.

Was der Staufer da tat, entsprang nicht zufällig einer grundsätzlichen Gedankenbewegung - der konkreten Erneuerung des Römischen Reiches, die Friedrich in seinem Cäsarentum (mitsamt der Gottgleichheit des Herrschers) sehr handgreiflich wiederbelebte. Schon bei den Römern trat diese Erscheinung der Bürokratie auf, und auch hier war sie eine Verfallserscheinung.

Noch schlimmer wird die Verwirrung, wenn solcherart klasseninterne Ordnungen auch dem Standesgefüge gegenüber gelten sollen, sodaß Rang oder Fertigkeit den Stand ersetzt. Das sind sämtlich degenerative Erscheinungen der Auflösung der Stände, schreibt Riehl.

Ein Stand muß in sich abgeschlossen sein, und er muß sich aus sich selber generieren können. Das können diese erwähnten Sonderklassen aber nicht, genauso wenig wie die künstlichen Begriffsschöpfungen vom "Gelehrten-" oder "Fabrikantenstand", oder was auch immer in der Neuzeit an Verwirrung bereits herrschte, wo Berufsbezeichnungen den Standesbegriff ersetzten. Genau so, wie der Bürgerbegriff durch das Philiströse aufgeweicht wurde, auch hier aus bloßem Beruf Scheinbürgerlichkeit hervorging. Als Verwesungsprodukt zur Proletarisierung wird.

Sie sind zudem offen für Standeswechsel, auch das widerspricht dem eigentlichen Standesbegriff, der sich ja tief in Sitte, Lebensweise und Identität ausdrückt, die aufeinander weisen, aber miteinander nicht kompatibel sein können. Wenn überhaupt, kann sich Standeswechsel damit nur über Generationen manifestieren und wirklichen, niemals aber im Wechselnden selbst. Weil jeder Stand mit seiner Sitte seinen Ethos, die Zueinandergefügtheit als eigentlich Gesellschaftliches erhält und zur Darstellung bringt, und damit das Gesellschaftsganze, den Organismus, lebendig hält.

Diese Einteilung in drei Stände ist uraltes Menschheitsgut, als Grundgefüge der Schöpfung. Sie ist schon in ältesten indogermanischen Wurzeln nachweisbar, wo sie den gesellschaftlichen Kräften gemäß (Gesellschaft als Nachbildung des göttlichen Ideenkosmos, ja der Dreifaltigkeit als Grundstruktur alles Geschaffenen), in variierender Nuancierung, in der Form von Krieger/Mann/Edelmann - Bauer/Frau/Bürger - Priester/Sänger/König auftreten.* Wobei diese Dreifaltigkeit als Idee - Geist - Fleisch - Dreiheit in allen Ständen wiederum Struktur des Wirklichen bildet.



*Im Kastenwesen Indiens findet sich diese Dreiteilung - historisch degeneriert und gewandelt - bis zum heutigen Tag.





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