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Donnerstag, 11. April 2013

Wahrheit als Feind (2)


Teil 2) Wie die Hamster im Rad,
 gezwungen zu wiederholen und zu wiederholen ...




Der Verfasser dieser Zeilen teilt die Auffassung so mancher, meist und typischerweise aber Vergessener, die da meinen, wir befänden uns in Wahrheit nach wie vor im geistig-kulturellen Zustand von sogar vor 1914. So, verhangen in unserer Vergangenheit, nie von ihr gelöst, unbewältigt an das nie Bewältigte, Überwundene gefesselt, laufen wir heute wie Hamster im selben Rad, und begegnen immer wieder denselben Erfahrungen, nur in scheinbar anderer Form, nur in immer noch höherer Stufe der Intensität. Immer aber noch - unbewältigt. Dieselben Geister, aber in anderer Gestalt, wie es eben das Wesen der Geschichte ist.

Und das macht ja das Schreien der "Anti-Nazis" so interessant - es hat darin seinen tatsächlich wahren Kern. Nur sind sie es selbst, die diese Endlosschlaufe aufrechthalten, in denen dieselben vergangenen Strukturen zwingend wirken, und das macht, weil es so typisch für den Geist dieser Zeit ist, diese Aussage, von vielfachen Erfahrungen belegt, noch überzeugender wahr.

Eine simple "Erinnerungskultur", die meint, mit der Konzentration auf spezifische historische Phänomene, auf ehemalige Äußerlichkeiten, deren Erneuerungsfrequenz mit jedem Tag kürzer werden muß, weil sie gar nicht halten KANN, weil sie eben nie das Wesen der Dinge erfaßt, reicht da nicht nur nicht, sie ist primitive, wenn nicht bösartige Selbsttäuschung. Und nicht mehr ist dann auch das Verhängen von Denkverboten, die wie in obigem Fall des Wirtschaftsprofessors Hörmann gedankliche, wissenschaftliche Korrektheit sogar als Gefahr sieht. 

Wovor hat man da Angst? Daß sich zeigen würde, daß das Einzige, was uns heute vom Nationalsozialismus unterscheidet, die Inbetriebnahme von Auschwitz und die Aversion gegen Hakenkreuze und den Namen "Adolf" ist? Während man umgekehrt über die gigantischen Verbrechen des Kommunismus, die auch nämlich in den einfachsten Gedanken der Linken - und damit gleichermaßen in unserer Zeit - begründet liegen, die man nur fortdenken muß, lieber nicht spricht, um nicht als "Revanchist" verleumdet zu werden? 

Oder hat man gar Angst, daß der Nationalsozialismus zwar wahr und seine Politik richtig, lediglich in bestimmten Auswüchsen falsch gewesen sein könnte? So, wie heute immer noch viele meinen (darunter mehrere Religionsprofessoren des Verfassers dieser Zeilen), der Kommunismus sei ja an sich richtig gewesen, er sei nur an der Umsetzung gescheitert?

Der Verfasser dieser Zeilen hat dafür stets nur eine Erfahrung gemacht: Daß eine wirkliche Ablehnung des Totalitarismus, und damit des Nationalsozialismus wie des Kommunismus, nur in jenen Kreisen zu finden war, die heute wie nie als "rechts=Nazi" verleumdet werden.

So, wie er selbst - der sogar von Vatersseite her in der Tradition der wirklichen Gegenwehr gegen den Hitlerismus stand bzw. steht - als Nazi beschimpft wurde. Von Leuten, die nach wie vor gedanklichen Nebel und Begriffsverwirrung klarer Durchdringung vorziehen, die meinen, ihr mattes, geistloses, uneigentliches Leben auf der Rutschbahn eben dieses Technizismus durch erigierten Zeigefinger moralisch aufwerten und damit in ihrem Schicksal wenden zu können. 

Die meinten, Gegenwehr gegen den Nationalsozialismus hätte etwas mit "moralistischem Verhalten" zu tun. Eben - gegen die Grenzüberschreitungen, um die es ihnen ja nur gehe. Denn die Autobahnen, die wirtschaftlichen Leistungen, die seien ja gut gewesen. Da läuft dann wie heute bereits eine ganze Generation herum, die gar nicht mehr wagt zu denken. (Und dazu nicht mehr in der Lage ist, weil Denken eine Leistung ist, zu der die Kraft, das Animo, die Notwendigkeit zu Denkarbeit fehlt - man hat ja schon "recht", wenn man das Verhalten den Normen angleicht, Bildung heißt heute kaum noch mehr als solche Gleichschaltung.)

Und aus Angst, weil das Ergebnis von Wahrhaftigkeit den Moraldogmen nicht mehr entsprechen könnte, sodaß man sich deshalb, sich selbst in diesem Nebel haltend, sogar auch noch als "ideologiefrei" bezeichnet, weil man doch nur "Gutes", also das offiziell als Gute eingebleute, wolle. Nicht Hakenkreuze, nicht SA-Uniformen, nicht ausgestreckte Grußarme, und um Gottes Willen kein "Judenhaß". DAS sei es ja, das Schlechte.

Während andere, in Gegenwehr gegen diese Unfreiheit, mangels gedanklicher Durchdringung ehemalige Ansätze wirklich als Gegenthese zur Gegenwart sehen, ob still oder offen. Als Ideologie gegen Ideologie, sozusagen.

Während stille Zustimmung findet, wenn ein Universitätsprofessor bereits fordert, man müsse Klimawandelleugner und Kondomgegner per Todesstrafe eliminieren, während man in Amsterdam Problemnachbarn, die schwulen Paaren ablehnend gegenüberstehen, in Baracken am Stadtrand verbannt, damit sie über ihr Verhalten nachdenken könnten. Während im Namen der Terrorbekämpfung totale Gesinnungsüberwachung der Bevölkerung per Gesetz verordnet wird. Klar, das Klimaproblem kam 1945 ja nicht vor, das kann also gar nicht nazistisch-totalitär sein ... das ist schlicht eine Überlebensfrage.

Notwendigkeit? Überlebenskampf? Alternativlosigkeiten, wo man hinblickt? Nein, nicht von heute ist die Rede - war nicht das auch die Zentralfrage des hochmodernen (!) Hitlerismus? Hat das nicht immer ein gewisses Maß an Lüge gerechtfertigt, gerechtfertigt, daß man es mit dem Denken doch nicht so genau nehmen müsse? Weil der heilige Zweck doch die Mittel heilige, neblichte Schlagworte zur Verhaltenssteuerung, clevere Propaganda doch reichen - und notwendig sind, wir leben ja im 21. Jhd.? 

Selbst die Hege und Pflege der Schreckenslager, die man wie in Auschwitz in Namen einer grotesken Erinnerungskultur sogar teilweise erneuert, wird dann nämlich nicht als Anliegen im Namen des "nie wieder" begreifbar, sondern nur noch gespenstisch konkret. Während die Geschichte selbst unglaubwürdig wird, weil gar nicht mehr vorkommt (genau das passiert, wenn man z. B. Auschwitz teilweise neu aufbaut, weil es sonst verfällt). Und der Kampf gegen die Unmenschlichkeit zum Scheinkampf wird, der den Blick auf etwas bannen soll, damit man um Gottes Willen die Wirklichkeit nicht sieht. Die war es aber, die auch 1933-45 der große Feind war, und Feind jedes Totalitarismus als System der Entmenschung ist.

Weil sein Feind, der Feind jeder Vermassung, nur in einem liegt: Im Weg jedes Einzelnen zur Wahrhaftigkeit, zur Freiheit, zur Verantwortung für seine Lebensentfaltung. Nur erreichbar in einem Suchen der Wirklichkeit. Nicht in einem Verhalten, der zeitgeistigen Moral zu entsprechen.

Sehr richtig, das ist das Verhalten von Jugendlichen, das entspricht deren Ambivalenz, deren Suche nach einer Gestalt, deren Anarchie, deren tollkühnem Ausprobieren, um seinen Ort und die Zeit zu finden.

Sehr richtig, das ist die geistige Situation die 1914ff herbeigeführt hat. Als die Zeit ausgesetzt wurde. Als man begann, sie als Zwischenzeit, als reine Meßstabzeit in immer höherem Tempo zu überspringen. Aber nicht mehr wirkliche Zeit zu schaffen.




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