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Mittwoch, 22. Mai 2013

Wirklichkeiten

Kandinski's Bild enthält ein bemerkenswertes Zeitelement, auf das sich auch die eingefangene Wirklichkeit der Häuser - in diesem Moment des Tages (siehe die mächtigen, tiefen Schatten) - als Moment bezieht: die Frauen, die unten wie versehentlich ins Bild huschen, als würden sie sich gleich wieder zurückziehen wollen, die Schatten der Zuschauer links, die dem Maler bei der Arbeit zusehen wollen, als wären sie alle absichtlich aus dem Bild gegangen, um den Blick auf den Ort freizugeben. Sie sehen den Maler erschrocken an, der selbst im Schatten des Kirchturms (oder ist es sein Schatten?) - erhaben, auf einer Stufe, vielleicht denen zur Kirche - zu stehen scheint. 

Das alles läßt das Bild wie das Einfangen eines kurzen Augenblicks wirken, es tritt damit in eine spürbare Spannung zur Dauer, die das Bild als Medium selbst darstellt, es aber wie aufhebt, ihm etwas von einer Photographie gibt.


Wassily Kandinsky, "Murnau: Straße mit Frauen"






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