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Donnerstag, 20. Juni 2013

Gefühl geht auf Art

Gefühle, schreibt Ludwig Klages, gehen nicht auf das Spezielle, sondern auf die Artung einer Situation. Und zwar sowohl im reaktiven Gefühl - dem Affekt, der Emotion, die aus sich heraus blind sind - als auch in der Stimmung - als Arterlebnis.

Im Affekt, in der Reaktion kann man deshalb auch in der Zielung irren, ja kontraproduktiv sein. Hiezu braucht es des geistigen Aktes, des Urteils, und damit der Wahrheit. Der Stier, den den Samenbock bespringt, reagiert nicht auf den Bock sondern auf das artende Erfassen der Situation in der Bewegtheit, in der er sich durch den (artenden) Reiz befindet. (Und irrt darin in seiner Natürlichkeit, weil es keine Kuh ist.)

Jede Ausdrucksbewegung, jede Handlung letztlich, ist damit auf eine Weise nur das Gleichnis einer Handlung.

In keinem Fall ist aber die Ausdruckshandlung einem Zweck zugeordnet - sie kommt aus sich selbst heraus, und dient sich selbst. Der Zweck ist das, was durch geistige Akten (beim Menschen) bzw. als Faktor der Geordnetheit dazukommt. Ein Kalb saugt auch bis zum Hungertod an einem zitzenähnlichen Plastikstutzen, der gar keine Milch hergibt.

Das Vorstellungsvermögen des Menschen richtet sich in gleicher Weise primär auf Eigenschaften (Gefühltes). "Härte" oder "Weichheit" vorzustellen ist deshalb wesentlich einfacher, als einen konkreten harten Gegenstand vor die inneren Augen zu holen. Aus solchen Arteigenschaften setzt sich die Welt schließlich zu immer komplexeren Bildern zusammen, die mit Symbolen (Sprache) belegt, darunter subsumiert werden. Auch wenn es in Französisch oder Bantu völlig verschieden heißt, meinen beide Völker unter den Eigenschaften dasselbe. Und selbst in den Sprichwörtern treffen sich die Völker weltweit in denselben Inhalten - aber unter meist ganz anderen Gleichnissen.

Die konkrete Sachbezogenheit aber, die muß der Mensch lernen. Und sie wird in den Bewegungen als (gewissermaßen) Bewegtheitscluster in immer komplexeren Abläufen automatisiert. Das mühsame Gehenlernen des Kleinkindes formt sich mit der Erfahrung zum Bergsteiger, der ohne nachzudenken Schritt um Schritt setzt, während er in Gedanken bei den Eisblümchen ist, die er in der Wand sieht.

Das betrifft auch das Sprechen - daß es der Kommunikation dient, ist das Hinzukommende! Es ist zuerst die bloße artliche Umsetzung einer Bewegtheit, die mehr und mehr dem Bewußtsein, den geistigen Akten angegliedert wird: Der Geist verschmilzt in seinen Bewegungen zu unwillkürlichen, bewußtseinslosen Akten durch Übung und Erfahrung, durch "in Fleisch und Blut übergehen". Die Willkürbewegung wird zu einer Lebensbewegung, das heißt, daß etwas wirkt, auch wenn man es gar nicht mehr bewußt bemerkt. Prinzipiell wird jeder lebendige Akt mit der Wiederholung immer weniger eines spezifischen Willensaktes bedürftig.

Mit allen Möglichkeiten der Fehlbildung durch ebensolche Übung - in der Faulheit, dem anerzogenen, gewohnheitsmäßigen Nichtsetzen geistiger Akte, oder in der Überzogenheit, sodaß der Mensch ständig von Gewohnheiten überrannt wird, die seinem geistigen Urteil nicht entsprechen. Wird ein Handeln, ein Reagieren, eine Ausdrucksbewegung des Menschen nur noch automatisch, wird sie gleichzeitig - ausdruckslos.





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