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Mittwoch, 10. Juli 2013

Nicht klüger geworden

Auch wenn er die Seriosität der Meldung für zweifelhaft hält, so würde er die von Forschern aus Schweden, den Niederlanden, Belgien und Irland aufgestellte These für sehr plausibel halten. Denn diese stellten die Behauptung auf, daß die Intelligenz der heutigen Menschen, verglichen mit jenen im 19. Jhd., um etwa 15 Punkte an IQ niedriger ist.

Das ergaben Vergleiche der Reaktionszeit in westlichen Gesellschaften, die sich von seinerzeit 183 Millisekunden (ms) auf durchschnittlich 253 ms verschlechtert hat. Und die Reaktionszeit ist gewiß ein guter Parameter für die Intelligenz des Menschen.

Freilich den beigepackten Erklärungen kann der Verfasser Zeilen wenig abgewinnen. Gewiß, es hat auch seiner Ansicht nach mit den Lebensumständen und der Technisierung zu tun, aber nicht, wie die Forscher vorschlagen, weil sich durch den technischen Fortschritt die Überlebenschance für unintelligenteren Schichten gehoben habe, sodaß sie den Durchschnittswert heute verringern. Das ist menschenverachtend, und verkennt auch das, was Intelligenz überhaupt ist. 

Die viel eher mit Wachheit, mit Wirklichkeitsoffenheit zu tun hat. Und deshalb ganz gewiß mit der Technisierung sämtlicher Lebensprozesse - nicht einseitig als "physische Maschinen" zu sehen - und vor allem der sozialen Prozesse selbst. Dadurch wird die Wirklichkeitsoffenheit verringert, der Mensch "schläft ein". Und mit der verringerten Wachheit verringert sich auch seine Präsenz im Urteil, in der Reaktion. 

Dazu kommt zusammenhängend wie nicht weniger wesentlich, daß der Verlust der gesellschaftlichen Einheit, und noch dazu als durch die Medien irrtümliche Grundsicht der Welt auch die Selbstpräsenz, den "gesicherten Stand" auflöst. Der Mensch muß sich heute permanent selbst gründen, um ein Urteil zu treffen, das die Grundlage einer Reaktion ist. Das bindet geistige Kräfte, macht die Urteilsprozesse umständlicher und komplexer, und damit langsamer.

Auch glaubt der Verfasser nicht, daß gesellschaftliche Stellung eine direkte Korrelation zur Intelligenz an sich hat - als geistiger Wachheit, Flexibilität, Lösungskraft etc. definiert - sondern daß unter "Intelligenz" gemessen wird, was eine bestimmte schulisch-technisch als solche definierte "Bildung" als "Intelligenz" ansieht. 

So gilt das Programmieren von Computern als Intelligenzleistung, während der Verfasser (übrigens sieht auch einer der Pioniere des Programmierens, Joseph Weizenbaum, es genau so) der Meinung ist, daß sie eine regelrecht stupide mechanische Leistung ohne schöpferisches Moment ist, die wirklich intelligenten Menschen fast unmöglich ist, weil sei ihre geistige Kraft gar nicht an solche mechanisierten Abläufe dauerhaft binden können. Das läßt sich auf viele andere Gebiete übertragen, und gilt mittlerweile auch für viele Studiengänge und -absolventen. Das entscheidende Intelligenzmoment ist nicht die Fähigkeit, die Technik der Abläufe - Logik ist eine Technik des Geistes! - zu beherrschen, im Gegenteil, sondern der schöpferische Akt. Der Verfasser ist sich sicher, daß der heutige Mensch unvergleichbar weniger schöpferisch und frei (und damit: intelligent, offen für den logos der Welt) ist, als der des 19. Jhds., des Barock, oder gar des Mittelalters.

Auch ist es zweifellos so, daß die Verlagerung menschlicher Tätigkeit - das gilt gleichermaßen, wenn nicht verstärkt auch von geistiger Tätigkeit (etwa im Computer) - in die Maschinen ein Verlernen (oder: nicht-lernen) eben dieser Momente beim Menschen nach sich zieht. Erkenntnis aber hat mit Bewegung zu tun (zu Wahrnehmung und Erkenntnis an dieser Stelle bald noch mehr, in den Ausführungen über Palágyi wurde das Thema aber bereits angerissen), nicht mit dem Ziehen logischer Schlüsse.

Nicht also die Steigerung des Lebensstandards ist das Wirkmoment, nicht der Effekt, der vorgebliche Zweck der Technik, sondern die direkte Anwendung der Technik selbst ist es, und das wirkt auch verdummend. Je umfassender der Wirkbereich eines technischen Geräts, umso umfassender die Schädigung beim Anwender.





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