Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 19. Juli 2013

Vom Handeln in der Politik (2)

Teil 2) Die Politik bricht Lebensweisen um, 
als würde sie Konfekt zum Tee wählen





Wir wollen all das nicht näher untersuchen. Tatsache bleibt, daß in einem nächsten Schlag den unzähligen Fleischhauern, die es gab, den Garaus machte. Durch Hygieneverordnungen. In all den Jahrzehnten war zwar dem Verfasser dieser Zeilen nicht ein Fall untergekommen, wo ein bei einem dieser zahllosen kleinen Fleischer gekauftes Stückchen Scheinfilet schlecht gewesen wäre, noch wurde ihm solches davon. Und hätte es derartiges gegeben, wäre man am nächsten Tag in den Laden gestapft und hätte sich beschwert, und ein Ersatzstück nach Hause getragen. Aber dafür kann Brüssel nunmehr bei Gammelfleisch und Pferdelasagne in großem Stil sowie in tausenden Konsumentenschutzverordnungen seine Handlungsfähigkeit beweisen.

Und angeblich, um artgerechtes Schlachten zu fördern. Zuvor brachten durchaus die Bauern auf ihren Anhängern das zu schlagende Vieh in den nächsten Ort, wo es seine Verwendung fand. Heute durchziehen, durch hunderte Verordnungen geregelt, Viehtransporte die europäischen Transversalen, um in Zentralschlachthöfen durch Massenvernichtungsarten modernsten Zuschnitts kostengünstige Filets auf die Tische zu bringen, die beim Auspacken aus den Kunststoffverpackungen, für die außerordentlich ökologische Wiederverwertungswege samt Vorschriften entworfen wurden, schon nach einem Tag seltsame Gerüche von sich geben, wenn man nicht schärfstens auf die gesetzlich vorgeschriebenen Ablaufdaten achtet.

Was für Schlagworte, was für Senf am Deckel. Binnen weniger Jahre - der Verfasser dieser Zeilen hat es hautnah im Ybbstal erlebt, in dem er sich lange Jahrzehnte lebenderweise aufhielt - blieben von den zahlreichen Fleischhauern ... einzelne. Ganz ganz wenige. Dafür wuchsen die Fleischtheken in den Supermärkten um Meter pro Monat. Die Gewohnheit auch des Verfassers dieser Zeilen, fast alles bei kleinen Betrieben zu kaufen, was man so zum Leben brauchte, wurde regelrecht abgewürgt. Es war nicht mehr möglich. Nun BRAUCHTE man ein Auto zum Einkauf, und die zurückzulegenden Strecken verlängerten sich und verlängerten sich.

Mit weiteren Konsequenzen, die sich als Knotenpunkt vieler weiterer solcher Maßnahmen der Zentralisierung und Vermassung der Arbeit wie der Produktionsstätten, mit weiterer Ausdünnung der kleinbetrieblichen Strukturen, darstellen. Man verlänger dieses Geschenen in der Lebensmittelbranche einfach auf alle übrigen Branchen. 

Wo früher eine - freilich, als uralter Verkehrsweg immer schon wichtige - zweispurige Bundesstraße durch die Ortschaften lief, wurde nach und nach eine begradigte, und ebendort prangt heute eine mehrspurige Autobahn, vulgo Schnellstraße. Das wiederum beschleunigte die Zentralisierung. Betriebe siedelten sich an, die genauso gut in Krakau oder Kunjewac stehen könnten, denen das Land gleichgültig ist, die nur bestimmte Bedingungen brauchen. Die Politik läßt sich natürlich jedes Jahr erneut feiern, wenn sie ein weiteres Teilstück eröffnet, wenn ein weiterer Produzent von Hutzelblechen in Endlosformat weitere 25 Arbeitsplätze in die "Region" bringt. 

Das machte auch längst einen weiteren Anschluß an die Autobahn notwendig, weil die ursprünglichen Anschlüsse bei Amstetten überlastet waren. Autobahnen, die man durch bildhübsche Lärmschutzwände abschottet, wo sie Wohngebiet durchqueren, das nur als Nebenbemerkung. Ein Ort, übrigens, wo sich ja genau dasselbe, nur noch konzentrierter abspielte. Auch der Pendelverkehr der Arbeiter wuchs mittlerweile um ein Vielfaches. Etwa durch jene Bauern, die ihre Höfe im unteren Waldviertel aufgegeben hatten, und nun in einem der Vorzeigeindustriebetriebe Muffen stanzten, Ösen durch elegantes Betätigen von Maschinenhebeln plätteten, und PVC-Folien um Paletten schweißten, die in die weite Welt geliefert werden.

Die nicht auf das Züchten von Känguruhs (mit Ab-Hof-Verkauf selbst geräucherter Springbockkeulen) oder Straußenfarmen ausgewichen waren, oder nicht Steaks von thailändischen Yaks anbieten, die in Waldviertler Auen gehalten regelmäßig ihre Nackenmuskulatur massiert erhalten. Bis zum Ausbruch einer seltsamen, durch den mukoadoleszenten Doppelfibrilvirus verursachten Krankheit, der zwar keinem Strauß schadet, aber den Hühnern des gesamten Landstrichs den Garaus macht, woraufhin im Expreßverfahren europaweite Maßnahmen eingeleitet werden, die zu neuen Abpackvorschriften für Hühnerkeulen führen.

Aber durch die Ansiedelung großer Betriebe wurden weitere Maßnahmen notwendig. Denn die Gefahr auf Verseuchung des Grundwassers war damit unkalkulierbar, ja wahrscheinlich. Neben dem Problem der Gülleausbringung, das mit der Massentierhaltung einhergeht. Also wurde die in der gesamten Region übliche Art der Wasserversorgung durch Hausbrunnen per Verordnung untersagt, und ein Wasser- und Kanalnetz im Zwangsanschlußverfahren verlegt, das - wenn man schon dabei war - ein Einwohnergebiet von mittlerweile 50.000 Einwohnern verbindet. Gespeist von Gebirgsquellen, denn das Grundwasser war längst überall als Problemzone eingestuft.

Dafür brüstet man sich in achtseitigen Broschüren mit aus Steuergeldern finanzierten Gründerzentren, in denen "high tec" als Zukunft ausgegeben wird, wo findige HTL-Abgänger ganz tolle Ideen haben, wie man in Zusammenarbeit mit einem südafrikanischen Freak (über 12.000 km Entfernung; nächstes Jahr fliegt man auch runter) neue Internetplattformen aufbaut, die ganz tolle Möglichkeiten hätten, wenn sie endlich jemand brauchte. (Aber dafür wird schon dann die Politik sorgen, keine Sorge.) Denn Internet, da ist ja auch die Zukunft. Bald zumindest. Die Versorgung mit Glasfaserkabeln ist ja mittlerweile auch im Ybbstal perfektioniert, man muß ja voraussehen, wie sich "die Dinge entwickeln".

Warum das alles? Das ganze Leben in der Region hat sich verändert. Stück für Stück, und hier nur in wenigen, um eine bestimmte Linie gruppierten Ausschnitten beschrieben. Mit Getriebenheit um Getriebenheit, in der eine "Lösung" die nächsten notwendig machte. Denn die Politik sagt, daß das die Veränderungen in der Welt seien, auf die wir uns eben einstellen müßten. Aber sie macht sie.

Wir sagen: Es ist die Politik, die diese Veränderungen will und auslöst, meist sogar ohne zu wissen was sie macht. Denn damit ist sie mit Garantie beschäftigt. Wenigstens sie hat damit also jenen Sinn erkämpft, den zu schaffen sie seit langem eifrigst bemüht, der ihr drückendstes Problem war. Weshalb sie ja so eifrig in alle Ebenen eingriff, die überhaupt nie ihr Gebiet hätten sein dürfen. Noch heute bilden solche Eingriffsversprechen sogar entscheidende Teile von Wahlprogrammen.

Aber sie macht längst alles zu Wüsten, wo früher noch vielfältiges Leben war herrscht heute die abstrakte Art der Politik selbst, die keine Lebensgestalt mehr hat, nur noch Funktionen kennt. Denn Politik an sich ist leer. Und macht dabei ganze Bevölkerungen hilflos, indem sie die ihr zubehörigen Ebenen, ihre Art die Dinge zu tun, ausschaltet. Damit unfähig macht, die Probleme ihres schon einfachsten Lebens selbst zu lösen, und angewiesen auf holde Grußbezeugungen von Abgeordneten und Regierung. So werden aus kleinen Problemen große. Aus kleinen täglichen Hindernissen, mit denen man lebt, unüberwindliche, die ganze Lebensformen umzwingen. Genau das aber, was die Politik vorgibt - zu gestalten - genau das tut sie schon lange nicht mehr. Denn diese Art zu leben will ja niemand. Sie ist nur zu einem Zwischenzustand geworden, den wir ertragen müssen auf dem Weg zu einem irgendwann wirklich guten Leben im Wohlstand.

Ja, gewiß, der Verfasser dieser Zeilen simplifiziert. Alles war natürlich in Wahrheit viel komplizierter und vor allem "alternativlos". Nur warum, warum glaubt das der Verfasser dieser Zeilen, der selbst in vielfachem Engagement samt Führungstätigkeit mit Wirtschaft und Politik (und natürlich, dem simplen Leben in allen Höhen und Tiefen) zu tun hatte, ehe er sich daraus zurückzog, deshalb aber weiß was Handeln und was Realität ist, ganz einfach nicht? Warum glaubt er nach wie vor, daß alles auch ganz anders hätte ablaufen können? Nur weil er heute noch überzeugt ist, daß man schöpferisch handeln kann, trotz aller immer komplexeren Faktoren, dazu aber Treue und die Bereitschaft braucht, auch einmal nicht geliebt zu werden, auch einmal zu bluten? Wenn argumentiert wird, daß es die implizite Form der Politik ist, die gute Politik unmöglich macht - dann muß man die Form ändern.





***