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Dienstag, 30. Juli 2013

Wohlstandszusammenhänge

Portugiesen, Griechen, Slowaken, Slowenen, Malteser und Zyprer geben rund 28 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Die Einwohner der reicheren EU-Länder müssen im Verhältnis deutlich weniger für Essen zahlen. Deutschlands Anteil etwa liegt bei 15,6 Prozent. In Holland isst es sich mit 12,6 Prozent am günstigsten.

Stellt man diesen Zahlen den Umstand gegenüber, daß in etwa die Bevölkerungen gerade dieser Länder höheres Privatvermögen (v. a. Immobilien = Ruhe) haben,  ergibt sich ein interessanter Beiton, der viele Interpretationen möglich macht. Unter anderem die, daß es sein könnte, daß die reicheren Länder ihren Wohlstand gar nicht ihr eigen nennen, sondern bestenfalls nutzen, einerseits, anderseits dieser Wohlstand Schein ist, weil er auch eine weit höhere Getriebenheit (Bewegung) und Notwendigkeit zu höherem Einkommen bedeutet. Oder daß es, um "normal leben" zu können, im Norden viel mehr Aufwand braucht, als im Süden, und dieser Aufwand eine industrielle Lebensmittelproduktion erzwingt.

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Dazu paßt nämlich die jüngst veröffentlichte Zahl von Millionären in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Über 1 Mio. Menschen besitzen 2012 hier ein Privatvermögen von mehr als 1 Mio Euro (Österreich: 78.000), das sind um 7,6 % mehr als 2011, und summiert sich auf die Gesamtsumme von rd. 3 Billionen Euro - reines Finanzvermögen, als Aktien oder gewerblich genützte Immobilien. Immobilien, die selbst genützt werden, wurden da nicht mitgezählt. Das heißt, daß dieses Vermögen nur solange Vermögen ist, als es auch wirtschaftlich genützt wird und nur aktiv das an Wert bedeutet, was es selbst erarbeiten kann.

Welche Aussage der Einbruch an "Millionären" nach dem Beginn  der Finanzkrise 2007/08 um 20 % stützt. Der Verfasser dieser Zeilen verweigert dabei die Konnotation, die mit dem Begriff einhergeht: Reichtum. Wer 1 Mio Euro besitzt, ist nicht "reich" im Sinne von "Millionär", das beginnt erst bei etwa 15-20 Mio. Euro disponiblem Vermögen, erst etwa in dieser Größe kann es zu Eigenleben kommen, das aus sich heraus seinen Besitzer in gewisser Weise unabhängig machen kann. Und darin bildet es eine hoch stehende Seins-Analogie, ist deshalb sehr hoch zu schätzen. So wie überhaupt die Wertschätzung von Vermögen genau darin gründet. "Reichensturm" ist historisch belegbar immer eine Bewegung gegen das Sein - atheistisch konnotiert, irrational, etc. Eine Gesellschaft ohne hochgeschätzten Reichtum (und ohne Reiche, die es nur bei Reichtumsunterschieden gibt) verlöre aus tiefgreifenden Seins-Gründen ihre Dynamik, selbst die Warenkultur (die die Spannung zur "höchsten Möglichkeit", dem "Luxus" also, braucht) bräche ein.

Wer Anteile an einem aktiven Vermögen, an Unternehmen oder Geldvermögensfonds besitzt, besitzt aber immer nur relatives, nominelles Vermögen, sofern es Einkommen generiert. Was es in Krisenzeiten nicht mehr tut.

In manchen Branchen ist dieses Vermögensverhältnis aktiv : passiv sogar extrem negativ. Eine hochspezialisierte, perfekt etablierte Fabrik für Kreuzwummen hat einen Wert von 50 Mio Euro, solange sie produziert. (Etwa) soviel würde es auch tatsächlich kosten, so eine Fabrik zu etablieren. Sobald aber Audi Nuschellamellen statt der Wummen einbaut, ist diese Fabrik wertlos, wenn nicht sogar eine Schuldbelastung. Und Baufirmen, die aktiv viel Geld wert sind, und deren Eigentümer in dieser Zeit lebt "wie ein Millionär", sind nach einem Zusammenbruch (der manchmal sogar nur eine Liquiditätsfrage war) aufgrund geltendgemachter Gewährleistungsrücklagen etc. oft nicht einmal das Papier wert, das der Masseverwalter für seine Listen verpulvert. Bilanzen, Unternehmenswerte und damit Vermögen sind immer sehr stachelige Früchte.

Und wer in ein Mietshaus nicht laufend investiert, wird nach 30 Jahren nicht nur kein Haus mehr haben, sondern sogar noch enorme Verbindlichkeiten aus der kumulierten Erhaltungsschuld, die etwa ein neuer Eigentümer nun decken (investieren) muß.

Vermögen sind im Wesentlichen nur Anzeiger für die Möglichkeit für eine gewisse Lebensführung, für die Notwendigkeit zu bewegen, die noch dazu auf weit höheren Kosten sitzt, sodaß "netto" oft kaum etwas bleibt - außer einer anderen Lebensführung. Wer 70 Stunden in der Woche geschäftliche Agenden managt, indem er nämlich Beziehungen zwischen Dingen und Menschen, "Welt" herstellt oder erhält, hat gar keine Zeit für das Mähen des Rasens seiner Traumvilla, er muß jemanden dafür bezahlen.

Reichtum hat also direkt mit Fähigkeit und Möglichkeit zu bewegen zu tun. Nur Beziehungen sind "Eigentum" und Vermögen, nicht "Güter" an sich, und auch nicht Gold. Deshalb "gibt" es kein Geld, egal in welcher Form, es gibt nur Beziehungen - oder nicht. Krise heißt "Beziehungskorrektur", Eigentum* gibt es nur bei intakten Beziehungen, ja Eigentum IST Beziehung (und deshalb von Persönlichkeit nicht zu trennen).

Gleichzeitig gilt, daß jemand, der sich in bestimmte unbotmäßige, nicht den realen Beziehungen entsprechende Formen der Lebensführung verliert, sein Vermögen gefährdet oder gar verspielt. Und zwar SOWOHL nach oben (Prasserei, Verschwendung), wie nach unten (Geiz) gesehen, greift er dann in eben diese Beziehungen nicht ihrer Art und (immer auch gesellschaftlicher) Bedeutung entsprechend ein und deformiert damit auch die Beziehungen seines Vermögens, verspielt das was Vermögen sein kann und soll: Freude an der Entfaltung bestimmter, kulturell höherstehender Arten von Beziehungen.

Zeiten kulturellen Niedergangs sind deshalb immer vom "Neureichentum" begleitet. Wo "Vermögen" nicht mehr mit Persönlichkeit und damit Kultur einhergeht, sondern eine rein technische, funktionale Angelegenheit wird, die sogar "jedem" offensteht. Was zu erreichen im übrigen überhaupt nicht möglich ist, es ist eben - ein Ethos. Ein kulturaverser Ethos, der Vermögen dazu bewegt, kulturavers zu wirken. (Bill Gates, um es plakativ zu zeigen, stellt mit seinem Geld enormen und weitreichenden Unsinn an.)

Dank der staatlichen Eingriffe in die Rettung der Wirtschaft (Staatsinterventionen erhöhen nachweislich und hier noch einmal bestätigt die Vermögen der Besitzenden, Staatsnahen, L. v. Mises zeigt die Zusammenhänge eindrücklich, bedeuten eine Umverteilung "von unten nach oben"), hat sich die Zahl der Millionäre also nun wieder erhöht, ja ist so hoch wie noch nie.



*Die Begriffe Eigentum und Besitz werden meist falsch und undifferenziert, wie auswechselbar verwendet. Besitz heißt aber nur, daß sich etwas in jemandes Verfügungsgewalt befindet, diesem aber nicht gehört. Insofern hat er natürlich auch mit Persönlichkeit (als Fähigkeit, die Spannung von Beziehungen als Sinnauftrag zu tragen und zu erfüllen) zu tun. Man kann also auch etwas Geliehenes besitzen. Eigentum ist hingegen eine Letztverantwortung, und sie heißt, daß etwas jemandem gehört, "zubehört", aber gar nicht in seiner Nutzung oder Verfügungs- oder Nutzgewalt (etwa wie in Miete und Pacht) stehen muß. Deshalb ist auch die Verantwortung, die mit Eigentum einhergeht, höher, "letzter" (bzw. "erster"), als bei Besitz.





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